Stärkung von Prävention und Gesundheitskompetenz
Die BAG SELBSTHILFE setzt sich aktiv für die Stärkung der Prävention und Gesundheitskompetenz in Deutschland ein. Unser Ziel ist es, das Gesundheitssystem so zu gestalten, dass es den allgemeinen Gesundheitszustand bestmöglich fördert und unterstützt. Im Fokus stehen hierbei insbesondere Menschen mit Behinderungen sowie chronischen Erkrankungen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Förderung und der Zugang zu Präventionsmaßnahmen für alle, insbesondere für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, sind essenziell für die Erhaltung des Gesundheitszustands.
- Die Früherkennung und der damit verbundene Umgang mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen spielen eine wichtige Rolle in der Selbsthilfe.
- Um Gesundheitskompetenz zu stärken, gilt es, die Fähigkeiten Gesundheitsinformationen zu verstehen und anzuwenden, kontinuierlich zu verbessern.
- Die Unterstützung der Patientenautonomie trägt dazu bei, eigene Entscheidungen zu treffen.
- Auch die Förderung digitaler Kompetenzen, etwa durch die Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen, steht im direkten Zusammenhang mit Gesundheitskompetenz und Prävention.
Weiterentwicklung der Prävention
Prävention umfasst Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit. Man unterscheidet bei der Prävention drei Arten.
Primärprävention: Soll das Auftreten von Krankheiten durch gesundheitsfördernde Maßnahmen verhindern. Diese müssen gemeindenah verfügbar sein und auch Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen erreichen. Es ist entscheidend, dass Angebote der Primärprävention bekannt und leicht zugänglich sind, um einen breiten Bevölkerungsanteil zu erreichen. Hier herrscht aktuell Nachbesserungsbedarf im Präventionsgesetz.
Sekundärprävention: Die frühzeitige Erkennung chronischer Erkrankungen ist entscheidend. Dies erleichtert eine rechtzeitige Intervention, was den Verlauf einer Krankheit positiv beeinflussen kann. Dabei spielen regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und gezielte Screenings eine wichtige Rolle. Viele Selbsthilfegruppen berichten, dass chronische Krankheiten oft sehr spät diagnostiziert werden.
Tertiärprävention: Dient der Verhinderung von Verschlimmerungen und Folgeproblemen chronischer Erkrankungen. Es ist notwendig, dass die Versorgung schnell und bedarfsgerecht erfolgt. Dies bedeutet, dass Patient*innen frühzeitig Zugang zu geeigneten Behandlungen und Therapien erhalten müssen. Zudem ist eine kontinuierliche Betreuung wichtig, um den Gesundheitszustand zu stabilisieren und Komplikationen zu vermeiden.
Jede Art der Prävention dient der Steigerung der Lebensqualität. Prävention, Kuration und Rehabilitation sind damit gleichermaßen unabdingbare Bestandteile einer umfassenden Gesundheitsversorgung der Patient*innen. Die BAG SELBSTHILFE wendet sich mit Nachdruck gegen die Betrachungsweise, wonach es für Primärprävention bei Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen "zu spät" sei. Selbstverständlich kommt es auch bei Menschen mit Erkrankung/Behinderung darauf an, weitere Erkrankungen oder Folgeerkrankungen zu vermeiden. Auch die Aussage, dass sich die Selbsthilfe nicht mit Prävention befassen dürfe, weil es hier ja um den Umgang mit Erkrankungen/Behinderungen gehe, ist irreführend. Hintergrund solcher Betrachtungen sind Abgrenzungen in Fördervorschriften, bspw. im SGB V. Ebenso wenig schließen sich Prävention und Pflege aus. Auch pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen profitieren von geeigneten Präventionsmaßnahmen.
Weiterentwicklung der Gesundheitskompetenz
Die BAG SELBSTHILFE setzt sich dafür ein, dass jeder Mensch seine Gesundheitskompetenz weiterentwickeln und nutzen kann. Dies bedeutet:
Patientenautonomie: Patient*innen sollen in der Lage sein, informierte Entscheidungen zu treffen, um aktiv an ihrer Behandlung beteiligt zu sein. Gesundheitskompetenz umfasst das Wissen, die Fähigkeiten und das Vertrauen, um Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden.
Fachkompetenz: Gesundheitsbezogene Fachgruppen und das Gesundheitssystem müssen so arbeiten, dass sie die Patient*innen unterstützen und ihre Gesundheitskompetenz anerkennen. Dies erfordert eine patientenzentrierte Kommunikation und die Bereitstellung klarer und verständlicher Informationen.
Der Begriff der Patientensteuerung ist hingegen abzulehnen.
Moderne Gesundheitskompetenz
Gesundheit und Krankheit sollten nicht nur von Expert*innen beurteilt werden. Ein modernes Verständnis von Gesundheitskompetenz verlangt:
Inklusive Gesundheitsversorgung: Das deutsche Gesundheitssystem muss mehr auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen zugeschnitten sein. Dies umfasst barrierefreie Zugänge zu Informationen und Dienstleistungen sowie spezielle Programme zur Förderung der Gesundheitskompetenz dieser Gruppen. Aktuell zeigen sich in diesen Bereichen viele Verbesserungspotenziale.
Individuelle Förderung: Gesundheitskompetenz muss auf individueller Ebene, auf der Ebene der Fachkräfte und innerhalb des Gesundheitssystems weiterentwickelt werden. Es ist wichtig, in Zukunft verstärkt maßgeschneiderte Bildungsprogramme und Ressourcen bereitzustellen. Nur so können unterschiedliche Lernbedürfnisse und -stile berücksichtigt werden.
Gesundheitskompetenz der Selbsthilfe anerkennen
Der Gesetzgeber erkennt zunehmend nicht nur die besonderen Bedürfnisse chronisch kranker Menschen an, sondern auch, dass der Behandlungserfolg maßgeblich von der Mitwirkung der Behandelten abhängt. In zahlreichen, von der Bundesregierung geförderten Studien konnte bereits aufgezeigt werden, dass gerade ein partnerschaftlicher Umgang zwischen Patien*in und Ärzt:in den Behandlungserfolg positiv beeinflusst. Die Gesundheitskompetenz der Patient*innen spielt hierbei eine entscheidende Rolle.
Selbsthilfeorganisationen leisten in diesem Zusammenhang eine wichtige und dringend erforderliche Arbeit, etwa durch fachkundige ärztliche oder juristische Beratung. Auch der Austausch innerhalb der Selbsthilfegruppen stärkt die Gesundheitskompetenz und fördert das Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten.
Maßnahmen, um die wichtige Rolle der Selbsthilfe für die Gesundheitskompetenz weiter zu stärken, sind folgende:
Bonifizierung: Mitgliedschaften in zertifizierten Selbsthilfeorganisationen sollten ähnlich wie Früherkennungsprogramme seitens der Krankenkassen bonifiziert werden. Durch diesen Anreiz für die Teilnahme an Selbsthilfeangeboten kann die Gesundheitskompetenz und das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung verbessert werden. Eine rechtliche Grundlage für die Bonifizierung von gesundheitsfördernden Maßnahmen ist bereits § 65 a SGB V verankert. Durch eine entsprechende Ergänzung dieses Paragrafen oder des Paragrafen zur Anrechnung auf die Belastungsgrenze (§ 62 SGB V) ließe sich ein rechtlicher Rahmen schaffen.
Schulungsprogramme: Krankenkassen sollten Schulungsprogramme, die die Gesundheitsversorgung der Patient*innen verbessern finanzieren. Ergänzend fordern wir Krankenkassen dazu auf, eigene wissenschaftliche Studien zum Nutzen bestehender Schulungsprogramme zu initiieren oder wissenschaftliche Untersuchungen der Patientenorganisationen anzuerkennen.
Kompetenztransfer innerhalb der Selbsthilfe
Die Weiterentwicklung der Gesundheitskompetenz der Selbsthilfeorganisationen ist ein gemeinsames Anliegen der BAG SELBSTHILFE und ihrer Mitgliedsverbände.
Unsere Mitgliedsverbände entwickeln daher regelmäßig eigenständig oder gemeinsam konkrete Vorhaben, durch die sie die Gesundheitskompetenz innerhalb der Verbände oder von Betroffenen direkt steigern. Auch die Verbesserung der Gesundheitskompetenz auf Seiten von Fachkräften, Einrichtungen oder des Gesundheitssystems steht im Fokus.
Die BAG SELBSTHILFE unterstützt und fördert ihre Mitgliedsverbände durch übergreifende Projekte. Materialien und Arbeitshilfen werden zur Verfügung gestellt.
Allianz für Gesundheitskompetenz / Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz
Die BAG SELBSTHILFE ist Mitbegründerin der nationalen „Allianz für Gesundheitskompetenz“. Die Initiative wurde gegründet, um die Gesundheitskompetenz in Deutschland zu stärken. Durch die Förderung konkreter Maßnahmen des „Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz“ sollen sowohl Bürger*innen als auch Institutionen befähigt werden, Entscheidungen auf Basis relevanter Informationen zu treffen. Die Maßnahmen zielen darauf ab, die Gesundheitsinformationen verständlicher zu machen und die Kommunikation zwischen Patient*innen und Gesundheitsdienstleistern zu verbessern. Weitere Informationen und detaillierte Inhalte des Aktionsplans finden Sie auf unserer speziellen Themenseite: Allianz für Gesundheitskompetenz / Nationaler Aktionsplan Gesundheit.
Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz
Im Jahr 2019 hat der Gesetzgeber den gesetzlichen Krankenkassen mit dem „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ die rechtliche Grundlage für die Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz von Versicherten geschaffen.
Die Vermittlung der notwendigen Kompetenzen für digitale und telemedizinische Anwendungen steht dabei im Vordergrund. Die Kompetenzen werden etwa in Schulungen zur Nutzung von Gesundheitsapps, zur Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) und von telemedizinischen Diensten vermittelt.
Wichtig bei der Implementierung solcher Maßnahmen ist aus Sicht der BAG SELBSTHILFE, dass alle Versicherten profitieren. Dazu gehören explizit auch schwer erreichbare Zielgruppen. Dazu müssen barrierefreie digitale Angebote entwickelt und der Zugang zu technischen Hilfsmitteln erleichtert werden.
Die BAG SELBSTHILFE engagiert sich bei der Förderung digitaler Gesundheitskompetenz bspw. im Projekt KundiG.
Arbeitshilfe - Gesundheitskompetenz von chronisch kranken und behinderten Menschen stärken
Unsere Arbeitshilfe Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen „Gesundheitskompetenz von chronisch kranken und behinderten Menschen stärken“ bietet Good-Practice-Beispiele und nützliche Links, um die Gesundheitskompetenz innerhalb der Verbände zu fördern. Ein Mustervortrag unterstützt die Diskussion des Themas innerhalb der Verbände. Die Arbeitshilfe enthält praktische Tipps und Methoden, um die Gesundheitskompetenz effektiv zu verbessern und nachhaltige Veränderungen zu erzielen.
Gesundheitskompetenz und Patientenberatung
Die Patientenberatung durch Selbsthilfeorganisationen stärkt die Autonomie und Gesundheitskompetenz der Ratsuchenden. Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE herrscht in Deutschland aktuell Optimierungsbedarf im Zusammenhang mit dem System Patientenberatung.
Effektive Patientenberatung sollte patientenzentriert, evidenzbasiert und ressourcenorientiert sein. Sie sollte darauf abzielen, die Patient*innen in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen und ihnen die nötigen Werkzeuge an die Hand zu geben, um ihre Gesundheit selbstbewusst zu managen.
Mitgliedschaft in der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V.
Die BAG SELBSTHILFE ist Mitglied der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG), die sich für die Verbesserung der Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland einsetzt. Die BVPG vereint Organisationen, insbesondere auf Bundesebene, die sich für Strukturverbesserungen im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung engagieren. Die Mitglieder sind beispielsweise die Bundesärztekammer, die Spitzenverbände der Krankenkassen sowie Verbände der Heil- und Hilfsberufe, aber auch Bildungseinrichtungen und Akademien.
Durch die aktive Mitwirkung in zentralen Gremien des Bundes hat die BVPG einen maßgeblichen Anteil an der fachlichen und politischen Diskussion sowie an der praktischen Umsetzung der Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland. Ein Schwerpunkt liegt auf den Themen Digitalisierung in der Prävention und Gesundheitsförderung sowie nichtübertragbare Krankheiten („non-communicable diseases“, kurz NCD). Weitere Informationen finden Sie unter www.bvpraevention.de.
Stärkung von Prävention und Gesundheitskompetenz: Häufig gestellte Fragen
Warum ist Prävention für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung wichtig?
Prävention hilft, den Gesundheitszustand zu erhalten und zu verbessern und verhindert das Fortschreiten von Krankheiten. Sie ermöglicht, dass Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen eine höhere Lebensqualität erreichen. Durch präventive Maßnahmen können viele Gesundheitsprobleme frühzeitig erkannt und behandelt werden, was langfristig zu einer Reduzierung von gesundheitlichen Komplikationen führt.
Wie unterstützt die Selbsthilfe die Gesundheitskompetenz?
Selbsthilfegruppen bieten Informationen, Beratung und Austausch. So ist es Betroffenen möglich, ihre Gesundheitskompetenz zu stärken und besser mit ihrer Erkrankung umzugehen. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft, Erfahrungen und Wissen zu teilen, was unter anderem zu einem besseren Selbstmanagement und einem gestärkten Selbstbewusstsein führen kann.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Gesundheitskompetenz?
Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung und Prävention, insbesondere durch digitale Anwendungen und telemedizinische Angebote, die die Patientenautonomie und Gesundheitskompetenz stärken. Digitale Gesundheitsanwendungen ermöglichen den Zugang zu wichtigen Gesundheitsinformationen und -diensten, unabhängig von Zeit und Ort, und fördern somit eine proaktive Gesundheitsvorsorge. Bei der Implementierung digitaler Maßnahmen ist ein barrierefreier Zugang besonders wichtig.