Wie funktioniert Selbsthilfe?
Alles, was Sie über gesundheitsbezogene Selbsthilfe wissen müssen
Selbsthilfegruppen bieten Menschen mit ähnlichen Herausforderungen und Problemen die Möglichkeit, einander zu unterstützen. Doch wie funktioniert Selbsthilfe genau? Wir erklären es Ihnen: Von der Entstehung über den Ablauf bis hin zu den Zielen und der Suche nach einer passenden Gruppe.
Wie funktioniert Selbsthilfe? Das Wichtigste in Kürze:
- Selbsthilfegruppen entstehen oft aus dem Bedürfnis nach Austausch und Unterstützung.
- Selbsthilfe basiert auf individuellen Prinzipien wie gegenseitiges Zuhören und Freiwilligkeit.
- Selbsthilfegruppen stehen grundsätzlich allen Menschen offen, die mit einer gesundheitlichen Herausforderung konfrontiert sind.
- Selbsthilfe hat sowohl innere Ziele (z.B. die Verbesserung der Lebensqualität) als auch äußere Ziele (z.B. die politische Interessenvertretung).
Selbsthilfegruppen: eine kurze Erklärung
Im Zuge der Selbsthilfe kommen Menschen mit ähnlichen Problemen und Herausforderung zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Eine genaue Beschreibung des Konzepts und alle wichtigen Infos zur Selbsthilfe im Allgemeinen finden Sie auf unserer Seite Was ist Selbsthilfe?.
Selbsthilfegruppen sind in erster Linie für Menschen, die selbst von gesundheitlichen Problemen betroffen sind. In der Gruppe finden sie Hilfe, Rat und Kraft.
Daneben gibt es Gruppen für Angehörige. Die Teilnehmenden hierbei sind nicht selbst von einer Krankheit oder Behinderung betroffen, stehen jedoch einem betroffenen Menschen nahe. Besonders gängig sind unter anderem Selbsthilfegruppen für Eltern, Partner*innen oder Geschwister(kinder) von Betroffenen.
Entstehung von Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen entstehen oft aus dem Bedürfnis nach Austausch und Unterstützung: Sind Menschen mit einer gesundheitlichen Herausforderung konfrontiert, suchen sie nach anderen Betroffenen, um sich mit ihnen zusammenzuschließen. Im Prinzip können wir bereits von einer Selbsthilfegruppe reden, wenn sich zwei oder drei betroffene Menschen regelmäßig treffen. Selbsthilfegruppen können daher sowohl spontan entstehen oder gezielt gegründet werden. Hat sich eine neue Gruppe gebildet, treten nach und nach meist weitere Mitglieder bei und die Gruppe vergrößert sich.
Mit circa 100.000 Selbsthilfegruppen in Deutschland, besteht nicht immer die Notwendigkeit einer Neugründung. In vielen Fällen kann man sich bereits bestehenden Gruppen anschließen. In manchen Fällen macht jedoch die Gründung einer neuen Gruppe Sinn. Beispielsweise, wenn es zu einem spezifischen Problem noch keine Gruppe (in der Umgebung) gibt oder eine bestehende Gruppe keine neuen Mitglieder aufnehmen kann.
Wer selbst eine Selbsthilfegruppe gründen möchte, findet bei Selbsthilfeverbänden und -kontaktstellen wertvolle Informationen und Hilfe.
Selbsthilfegruppe: Ablauf, Prinzipien und Formen
Allgemeiner Ablauf der Treffen
Die Treffen von Selbsthilfegruppen finden meist regelmäßig statt. Der Ablauf dabei kann von Gruppe zu Gruppe variieren. Oft beginnen die Treffen mit einem "Blitzlicht", bei dem jedes Mitglied kurz sagt, wie es ihr oder ihm geht. Danach kann beispielsweise zu einem bestimmten Thema diskutiert oder neue Erfahrungen ausgetauscht werden.
Selbsthilfegruppen und -organisationen arbeiten in der Regel eigenständig und selbstorganisiert. Die Mitglieder bestimmen die Themen, Aktivitäten und Ziele der Gruppe. Es gibt keine festen Vorgaben oder Hierarchien. Auch der Ablauf eines Treffens kann somit stark variieren und individuell gestaltet werden.
Zugrundeliegende Prinzipien
Das Gleiche gilt für die Prinzipien, unter denen Selbsthilfegruppen agieren: Es gibt (fast) keine bindenden vorgegebenen oder allgemeingültigen Regelungen. Jede Gruppe kann diese individuell für sich besprechen, definieren und festlegen.
Das einzige Prinzip, welches für alle Selbsthilfegruppe gilt, lautet:
Was in der Gruppe besprochen wird, bleibt in der Gruppe.
Durch diese wichtige Regel wird ein sicherer, vertrauensvoller und geschützter Raum für alle Mitglieder gewährleistet. Dies ist unabdingbar, da in Selbsthilfegruppen über sehr intime und persönliche Dinge gesprochen wird – etwa über die Ängste und Nöte der Gruppenmitglieder. Dabei sollen sich alle Beteiligten ohne Angst und Scham öffnen können.
Weitere typische Regeln für Selbsthilfegruppen sind beispielsweise:
- Respektvolles Zuhören: Jeder soll die Möglichkeit haben auszusprechen, ohne unterbrochen zu werden.
- Geben und Nehmen: Bei der Selbsthilfe geht es darum, Hilfe zu erhalten, wie auch selbst Hilfe zu geben.
- Freiwilligkeit: Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen ist freiwillig. Niemand kann zur Teilnahme an einer Gruppe gezwungen werden – auch nicht von Ärzt*innen, Arbeitgeber*innen oder der Krankenkasse. Auch muss sich niemand öffnen, wenn er oder sie es nicht möchte oder sich (noch) unwohl dabei fühlt. Das Zuhören ist ebenfalls eine Form der Teilnahme.
- Selbstbestimmtheit: Selbsthilfegruppen arbeiten eigenständig und ohne externe Leitung. Sie werden also nicht von Ärzt*innen, Therapeut*innen oder anderen Expert*innen geleitet. Trotzdem besteht die Möglichkeit, diese für Vorträge einzuladen.
- Gleichberechtigung: Alle Mitglieder sind gleichberechtigt und können Aufgaben in der Gruppe übernehmen.
- Nachhaltigkeit: Durch die dauerhafte und regelmäßige Sitzungsteilnahme der Mitglieder wird der Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl der Gruppe gestärkt.
- Privatsphäre: Die Treffen finden in einer sicheren Räumlichkeit statt, beispielsweise in Einrichtungen von Selbsthilfeorganisationen, in Krankenhäusern oder Gemeinderäumen. Auch Treffen in Cafés oder Privaträumen sind denkbar, wenn die Privatsphäre dabei geschützt bleibt. Das gilt auch für Online-Treffen: Hierbei ist auf Datenschutz und eine hohe Datensicherheit zu achten.
- Unentgeltlichkeit: Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen ist grundsätzlich kostenlos. In bestimmten Fällen können jedoch Kosten anfallen (beispielsweise für das Mieten geeigneter Räumlichkeiten).
- Passende Größe: Die Gruppengröße sollte einen optimalen und effektiven Austausch ermöglichen. Besonders bewährt haben sich Gruppen mit etwa sechs bis zwölf Mitgliedern.
Mögliche Formen der Selbsthilfe
Die gängigste Form der Selbsthilfe sind Gesprächskreise. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine von vielen Möglichkeiten. Weitere Formen, in denen Selbsthilfegruppen agieren, sind beispielsweise sportliche Aktivitäten, Veranstaltungen, telefonische Unterstützung, digitaler Austausch oder gemeinsame Ausflüge. Mehr Infos dazu finden Sie auf unserer Seite Formen der Selbsthilfe.
Ziele von Selbsthilfegruppen
Die Ziele von Selbsthilfegruppen sind vielfältig. Sie umfassen sowohl innere als auch äußere Ziele. Zu den inneren Zielen zählen beispielsweise die gegenseitige Unterstützung der Teilnehmenden sowie die Verbesserung ihrer Lebensqualität. Bei den äußeren Zielen geht es insbesondere um die Vertretung der Gruppeninteressen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.
Mehr über die wichtigsten Ziele können Sie auf unserer Seite Was ist Selbsthilfe? erfahren.
Für wen ist Selbsthilfe geeignet?
Selbsthilfegruppen sind grundsätzlich für alle Menschen geeignet, die mit einer gesundheitlichen Herausforderung konfrontiert sind und sich mit anderen Menschen dazu austauschen möchten. Gleiches gilt für deren Angehörige.
Es gibt keine festgeschriebenen Kriterien zur Teilnahme und Aufnahme in eine Gruppe. Wichtig ist lediglich, dass die Betroffenen die Prinzipien der Gruppe respektieren und achten. Auch Faktoren wie die das Alter, der Beruf und die Bildung spielen keine Rolle. Die einzige Ausnahme bilden minderjährige Betroffene: Diese benötigen für die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe in der Regel eine Einwilligung ihrer Eltern.
Altersgemischte und altersspezifische Gruppen
Obwohl das Alter grundsätzlich kein Aufnahmekriterium ist, haben sich in einigen Bereichen bereits jüngere Gruppen gebildet. Diese „junge Selbsthilfe" richtet sich typischerweise an Personen zwischen 18 und 35 Jahren.
Der Altersfokus kann sinnvoll sein, da jüngere Menschen mitunter einen anderen Alltag und eine andere Lebensrealität als ältere Menschen haben. Durch altersspezifische Gruppen kann hierauf ideal und fokussiert Bezug genommen werden.
Aber auch altersgemischte Gruppen haben ihre Vorteile: In diesen können ältere Mitglieder ihre Lebenserfahrung weitergeben, während sie gleichzeitig vom Austausch mit jüngeren Mitgliedern profitieren.
Wie funktioniert Selbsthilfe – Häufig gestellte Fragen:
Was veranlasst Menschen dazu, sich Selbsthilfegruppen anzuschließen?
Die Gründe, warum Menschen sich einer Selbsthilfegruppe anschließen, sind vielfältig:
- Wunsch nach Austausch mit Betroffenen: Viele Mitglieder wünschen sich den Austausch mit anderen Erkrankten und anderweitig betroffenen Menschen. In einer Selbsthilfegruppe fühlen sie sich besser verstanden als in Gesprächen mit außenstehenden Menschen.
- Probleme überfordern das persönliche Umfeld: Persönliche Probleme können das Verständnis oder die Kapazitäten von Freund*innen und Familie übersteigen. Auch in diesem Fall suchen Betroffene nach einer Gemeinschaft aus Gleichgesinnten.
- Schamgefühle oder Sorge: Einige Menschen fühlen sich unwohl dabei, ihre Situation im persönlichen Umfeld zu besprechen. Trotzdem haben Sie das Bedürfnis, sich auszutauschen und Unterstützung zu finden.
- Empfehlung von Fachleuten: Oft werden Selbsthilfegruppen von Ärzt*innen, Therapeut*innen oder Krankenkassen als zusätzliche Unterstützung empfohlen.
- Zielgerichtete Veränderung: Einige Betroffene wünschen sich – neben der persönlichen Lebensverbesserung – eine politische und gesellschaftliche Veränderung. Daher schließen sie sich einer entsprechenden Selbsthilfegruppe an.
Wo kann ich eine Selbsthilfegruppe finden?
In Deutschland gibt es ein dichtes Netz an Selbsthilfegruppen. Man kann online nach passenden Gruppen suchen, bei der Krankenkasse oder Ärzt*innen nachfragen oder sich an einen Selbsthilfeverband oder eine Selbsthilfekontaktstelle wenden. Sie finden auf unserer Seite Selbsthilfe-Netzwerk alle wichtigen Anlaufstellen.
Es gibt zudem die Möglichkeit, selbst eine Gruppe zu gründen. Auch in diesem Fall bekommen Sie bei Selbsthilfeverbänden und -kontaktstellen wichtige Informationen und Hilfe.
Wie gründe ich eine Selbsthilfegruppe?
Um eine Selbsthilfegruppe zu gründen, ist es zunächst wichtig, Gleichgesinnte zu finden. Außerdem müssen ein Ort und die Zeit für das erste Treffen festlegt werden. Falls Sie sich für die Gründung einer Selbsthilfegruppe interessieren, kontaktieren Sie gerne einen Selbsthilfeverband oder eine Selbsthilfekontaktstelle. Hier bekommen Sie viele wertvolle Informationen und Unterstützung.
Gibt es auch Selbsthilfegruppen online?
Ja, es gibt viele Selbsthilfegruppen, die sich online treffen. Diese virtuellen Gruppen nutzen Videokonferenzen, Chatrooms oder Foren, um den Austausch und die Unterstützung zwischen den Mitgliedern zu ermöglichen. Online-Selbsthilfegruppen bieten eine flexible Möglichkeit für Betroffene, die nicht in der Nähe wohnen und solche, die keine physischen Treffen besuchen können oder möchten.
Wie kann ich mich auf die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe vorbereiten?
Bevor man an einer Selbsthilfegruppe teilnimmt, kann man sich genauer über diese informieren. Beispielsweise auf der Website der Gruppe oder durch ein Gespräch mit anderen Teilnehmer*innen. Es ist außerdem ratsam, sich im Vorfeld mit den Gruppenregeln und -prinzipien vertraut zu machen. Hat man das Gefühl, die Gruppe passt zu den eigenen Interessen und Bedürfnissen, macht man am besten einen Termin für die erste Teilnahme aus. Ob die Gruppe die Richtige ist, findet man am besten direkt vor Ort heraus.
Was kann ich tun, wenn ich mit der Selbsthilfegruppe nicht zufrieden bin?
Sind Sie unzufrieden mit Ihrer Selbsthilfegruppe, können Sie zunächst Ihre Bedenken und Anliegen mit den anderen Gruppenmitgliedern besprechen. Hilft das nicht, können Sie sich eine neue Gruppe suchen oder selbst eine gründen, die besser zu den individuellen Bedürfnissen passt. In beiden Fällen lohnt der Kontakt mit einer örtlichen Selbsthilfeorganisation oder -kontaktstelle. Hier wird Betroffenen mit einer individuellen Beratung und Tipps weitgeholfen.