Reform der Kinder- und Jugendhilfe

Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne einer sog. großen Lösung ist seit langem eine Forderung der Verbände behinderter Menschen. 
Hiernach soll sich die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe auf alle Kinder und Jugendliche erstrecken und nicht nur auf Kinder und Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen. 

Der Deutsche Behindertenrat (DBR) als Aktionsbündnis der maßgeblichen Verbände chronisch kranker und behinderter Menschen hat zum Abschluss des Beteiligungsprozesses „Gemeinsam zum Ziel: Wir gestalten die inklusive Kinder- und Jugendhilfe“ ein konsentiertes Forderungspapier verfasst und am 18.12.2023 an Familienministerin Lisa Paus übergeben. Hintergrund ist, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung des SGB VIII auf den Weg gebracht werden soll, mit dem Ziel, die Eingliederungshilfe für alle jungen Menschen mit Behinderungen im SGB VIII neu zu verankern. Der DBR und damit auch die BAG SELBSTHILFE erwarten, dass sich bei einer Gesetzesreform die Situation für junge Menschen mit Behinderung und deren Familien tatsächlich verbessert und bisher fehlende Regelungen für bedarfsgerechte Leistungen und Angebote für eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe ergänzt werden. Damit die Reform für Kinder und Jugendliche mit Behinderung sowie deren Familien gelingen kann, müssen aus Sicht des DBR folgende Voraussetzungen zwingend erfüllt werden:

  1. Der in § 108 SGB VIII formulierte Vorbehalt der Kostenneutralität ist aufzuheben,
  2. Es braucht mit der Eingliederungshilfe vertraute Fachkräfte in den Jugendämtern,
  3. Das im SGB IX, Teil 1 verankerte Rehabilitations- und Teilhaberecht muss zur Anwendung kommen,
  4. Partizipation muss gestärkt werden.

Wenn diese Grundbedingungen erfüllt sind, sind im Weiteren zur konkreten Ausgestaltung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe gesetzliche Regelungen erforderlich, welche sich auf die Sicherstellung der individuellen Teilhabeansprüche beziehen. Ein reformiertes SGB VIII muss insoweit folgende Maßgaben gewährleisten:

  1. Keine Aushöhlung des Rechtsanspruchs auf individuelle Teilhabeleistungen,
  2. Feststellung und Deckung des behinderungsspezifischen Bedarfs,
  3. Einheitlicher Behinderungsbegriff,
  4. Verzicht auf das Kriterium der Wesentlichkeit,
  5. Bedarfsgerechte Leistungen schaffen,
  6. Gesetzliche Verankerung des Wunsch- und Wahlrechts,
  7. Frühförderung beibehalten und weiterentwickeln,
  8. Anspruch auf Leistungsvereinbarung und gesetzliche Verankerung eines öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs,
  9. Einkommens- und Vermögensfreiheit der behinderungsbedingt notwendigen Teilhabeleistungen,
  10. Keine nachteilige Stichtagsregelung,
  11. Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit verankern,
  12. Übergang ins SGB IX, Teil 2.

Darüber hinaus sind gesetzliche Regelungen erforderlich, welche sich auf folgende, weitere Erfordernisse für ein inklusives SGB VIII beziehen:

  1. Multiprofessionalität im Jugendamt und den Beratungsstellen,
  2. Beratung und Begleitung familienorientiert  ausrichten,
  3. Sicherstellung der Barrierefreiheit,
  4. Beteiligung strukturell verankern,
  5. Eltern mit Behinderung adäquat unterstützen,
  6. Erweiterung des § 20 SGB VIII,
  7. Inklusive Kinder- und Jugendhilfe für alle.

Das DBR Forderungspapier ist auf der DBR-Webseite eingestellt unter „Positionspapiere“ (https://www.deutscher-behindertenrat.de/ID26372)
Lesen Sie hierzu auch die Stellungnahme der BAG SELBSTHILFE zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen (Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz – IKJHG) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Bearbeitungsstand: 16.09.2024)