Stärkung der gesundheitlichen Selbsthilfe in Deutschland zur Mitwirkung in europäischen Nutzenbewertungsverfahren
Laufzeit: | 1. Oktober 2023 - 31. März 2024 |
Förderer: | Bundesministerium für Gesundheit |
Projektbeschreibung
Ausgangslage der Projektarbeit
Mithilfe von HTA-Verfahren wird der Mehrwert einer neuen Gesundheitstechnologie im Vergleich zu den bestehenden Technologien bemessen. Die entsprechenden HTA-Stellen müssen also prüfen, ob diese besser, genauso gut oder schlechter sind als die bestehenden Alternativen. Zu diesem Zweck müssen sie üblicherweise die Wirkung der diagnostischen oder therapeutischen Option, jedoch auch mögliche Nebenwirkungen oder beispielsweise den Einfluss auf die Lebensqualität bewerten.
Teil solcher HTA-Verfahren ist daher immer auch die Einbeziehung der Patientenperspektive. Folglich finden die zentralen HTA-Verfahren in Deutschland stets unter Einbeziehung von PatientenvertreterInnen statt, die in aller Regel aus der Selbsthilfe kommen.
Die BAG SELBSTHILFE ist in Deutschland die Koordinierungsstelle der sog. maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V für die Umsetzung der Patientenbeteiligung in HTA-Verfahren. Ca. 80 % der Patientenvertreter: innen in den HTA-Verfahren kommen aus den Reihen der Mitgliederverbände der BAG SELBSTHILFE.
Auch PatientenvertreterInnen, die nicht aus Selbsthilfeorganisationen kommen, die Mitglied der BAG SELBSTHILFE sind, werden über ein s.g. Akkreditierungsverfahren in
die HTA-Verfahren eingebunden.
Nationales HTA- Verfahren
Die Mitwirkung in den HTA-Verfahren auf nationaler Ebene findet in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses statt. Dies gilt insbesondere für das sog. AMNOG-Verfahren und die sog. Erprobungsverfahren zur Anwendung von Medizinprodukten beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Dort kommt der Mitwirkung von PatientenvertreterInnen eine bedeutsame Rolle zu, da sich die Bewertungen am Patientennutzen zu orientieren haben.
Gerade die für das deutsche Gesundheitswesen deutliche Fokussierung auf den Patientennutzen schlägt sich beispielsweise darin nieder, dass ein Zusatznutzen einer neuen Gesundheitstechnologie in aller Regel nur dann zuerkannt werden kann, wenn der Nutzennachweis bezogen auf sog. „patientenrelevante Endpunkte“ gezeigt werden
konnte. Schon allein unter diesem Gesichtspunkt ist die Mitwirkung von SelbsthilfevertreterInnen an den HTA-Verfahren elementar, da der Austausch zu solchen patientenrelevanten Effekten, wie bereits aufgezeigt wurde, Teil des Austauschs in der Selbsthilfe ist. Auch in vielen anderen europäischen Ländern spielen HTA-Verfahren eine wichtige Rolle bei der faktengestützten Entscheidungsfindung im Gesundheitsbereich.
Daher hatte die Europäische Kommission im Jahr 2017 in ihrem Arbeitsprogramm angekündigt, eine Initiative zur Stärkung der EU-weiten Zusammenarbeit bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien einzuleiten, um das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes für Gesundheitsprodukte zu verbessern.
Europäisches HTA-Verfahren startet 2025
Die EU arbeitet daran, ein europäisches HTA-Verfahren zu etablieren. Im Juni 2021 wurde im Gesetzgebungsprozess zur EU-HTA-Verordnung ein Kompromiss erreicht, der u.a. die Rolle des Euro-HTA-Verfahrens neben den nationalen HTA-Verfahren bestimmt. Die Verordnung ist im Januar 2022 in Kraft getreten und sieht eine Übergangsphase vor bis im Jahr 2025 das Euro-HTA-Verfahren implementiert ist. Teil dieser Übergangsphase sind auch die notwendigen Vorbereitungen, um auch auf der europäischen Ebene die Mitwirkung der VertreterInnen der Selbsthilfeorganisationen aus Deutschland zu ermöglichen.
Selbsthilfeorganisationen als Teil des Euro HTA-Verfahren
Die Mitwirkung der Selbsthilfeorganisationen ist notwendig und auch im Bundesinteresse, da die für die nationale Nutzenbewertung prägenden methodischen Orientierungen (studienbasiertes Vorgehen, patientenrelevante Endpunkte, Erfordernis von Vergleichsstudien) auch auf europäischer Ebene von der Patientenvertretung mit vertreten werden sollten.
Andere europäische Gesundheitssysteme kennen andere Prioritäten, die auch von den dortigen Patientenvertretungen in das europäische HTA-Verfahren eingebracht werden.
Nach der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien werden auch im sog. Euro-HTA-Verfahren die Interessenträger der Patienten an dem Verfahren zu beteiligen sein.
Die Ausgestaltung dieser Mitwirkung ist aktuell noch nicht final festgelegt worden. Die BAG SELBSTHILFE wird bei der Organisation der Patientenbeteiligung im Euro-HTA-Verfahren aber in jedem Fall eine zentrale Rolle für die PatientenvertreterInnen aus
Deutschland spielen, da die BAG SELBSTHILFE nach Artikel 4.1 des Status des Europäischen Patientenforums (EPF) als „Nationale Vereinigung von Patientenorganisationen“ Mitglied des EPF ist. Bereits seit dem Jahr 2019 organisiert die BAG SELBSTHILFE im sog. EuNet-HTA-Projekt gemeinsam mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und der französischen Haute Autorité de Santé (HAS) Beteiligungserprobungen zur Einbindung von PatientenvertreterInnen in vorbereitenden HTA-Prozessen auf europäischer Ebene.
Leider ist der Entwicklungsprozess zu einem Euro-HTA-Verfahren bei den Verantwortlichen in den deutschen Selbsthilfeorganisationen trotzdem noch nahezu unbekannt.
Hier finden Sie die wichtigsten Informationen zum Europäischen HTA- Verfahren (EU-HTA) zu PICO - „Patient-Intervention-Comparison-Outcome“ sowie zur Bedeutung des „Berichts“, der aus dem EU-HTA- Verfahren hervorgeht:
Projektziele
Mit dem Projekt soll die Grundlage dafür gelegt werden, die bewährte Einbindung der gesundheitlichen Selbsthilfe in Deutschland in HTA-Verfahren zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten hoher Risikoklassen aufrecht zu erhalten. Auch wenn künftig HTA-Verfahren von der nationalen Ebene auf die europäische Ebene verlegt werden.
Dieses Ziel soll erreicht werden, durch:
1) Sensibilisierungs- und Informationsprozesse der Verantwortlichen in der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe zu:
- den durch die EU vorgegebenen Veränderungen im Euro-HTA-Verfahren
- dem komplexen Zusammenspiel zwischen dem EuroHTA-Verfahren und den nationalen HTA-Verfahren.
- den zu erarbeitenden konkreten Umsetzungsstrategien, die Verantwortlichen in den deutschen Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen über die europäischen Dachverbände der Patientenorganisationen (EPF, EURORDIS, ECPC, etc.) in die Beteiligungsprozesse im Euro-HTA-Verfahren einzubinden.
- die verschiedenen Varianten des künftigen Beteiligungsverfahren (schriftliches Fragebogenverfahren, mündliche Anhörungen, Interviews) zu analysieren und zu bewerten
2) die Nutzung der Übergangsphase des EU-HTA-Errichtungsprozesses, um in den Konsultationsverfahren des EUnetHTA 21-Prozesses die Sichtweisen und Beteiligungserfordernisse der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe in Deutschland wirkungsvoll einzubringen. Hierfür wird die BAG SELBSTHILFE die erforderlichen Willensbildungsprozesse mit den Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen in Deutschland organisieren und auf die in den Konsultationsverfahren maßgeblichen Fragestellungen fokussieren.
3) den Aufbau einer Datenbank mit den Kontaktdaten derjenigen kompetenten und geeigneten Selbsthilfeaktiven aus den deutschen Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen, die an einer Mitwirkung im Euro-HTA-Verfahren zu den Gesundheitstechnologien des von ihnen vertretenen Indikationsgebiets interessiert sind. Es wird im weiteren Verlauf darauf ankommen, diese Datenbank als Teil des künftigen sog. StakeholderNetzwerks des Euro-HTA-Verfahrens zu etablieren. Auch nach Abschluss des Projektes wird die BAG SELBSTHILFE die Datenbank aus Eigenmitteln weiterführen und die Daten der Patientenvertreter: innen jeweils aktualisieren.
4) die Konzeption und Erprobung eines Schulungscurriculums zu den Regularien des europäischen HTA-Verfahrens, aber auch zum Zusammenspiel mit den Regularien der nationalen HTA-Verfahren, zu den verschiedenen Methodiken der Verfahren und zu den Aufgabenstellungen und Herausforderungen für die Patientenbeteiligung.
5) die Koordinierung des Prozess der Vorbereitung des künftigen Euro-HTA-Verfahrens, um einerseits Austauschmöglichkeiten unter den Selbsthilfeorganisationen zu diesem Errichtungsprozess zu schaffen, andererseits aber auch eine Abstimmung mit den maßgeblichen HTA-Institutionen in Deutschland, den europäischen Dachverbänden der Patientenorganisationen (EPF, EURORDIS, ECPC), aber auch in anderen europäischen Ländern zu ermöglichen.