Selbsthilfe als Gegenstand der medizinischen Ausbildung

Laufzeit: Januar 2014 - Dezember 2014 / 2019 Unterstützungsangebot
Förderung: BKK Dachverband

Ausgangslage

Selbsthilfe ist ein wesentlicher Bestandteil der gesundheitsbezogenen Versorgung. Die Gesundheitsselbsthilfe kann in vielfältiger und wirksamer Art und Weise professionelle Ansätze der Gesundheitsversorgung ergänzen. Durch ihre präventive und rehabilitative Ausrichtung stärkt sie die Ressourcen chronisch kranker und behinderter Menschen sowie die ihrer Angehörigen (vgl. GKV-Spitzenverband, Leitfaden zur Selbsthilfeförderung, 2013). Dennoch zeigt sich, dass das medizinische Personal oft die Möglichkeiten der Gesundheitsselbsthilfe nicht gut genug kennt bzw. die Kenntnisse hierüber nicht bei der Behandlung ihrer Patienten in Betracht zieht. Daher sollte bereits in der Ausbildung von medizinischem Personal ein praxisorientierter Bezug zur Selbsthilfe vorgenommen werden.

Im Rahmen einer vorhergehenden Fördervereinbarung zwischen dem BKK Bundesverband und der BAG SELBSTHILFE wurden seitens der BAG SELBSTHILFE die Kontakte der Gesundheitsselbsthilfe zu medizinischen Fakultäten, die Regelungen der Ausbildungsordnungen und die Ansprechpersonen bei Universitäten erhoben. Weiterhin wurde eine Mustervorlesung zum Thema „Gesundheitsselbsthilfe als Gegenstand der medizinischen Ausbildung“ (2011)  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen erarbeitet und an der Universität Düsseldorf während mehrerer Semester erprobt. Es wurde versucht, ein Abstimmungstreffen mit den Lehrstühlen der Medizinsoziologie in Deutschland zu organisieren, um das Thema im Curriculum des Wahlfachbereichs zu verankern. Dies gestaltete sich jedoch als schwierig.

Einige Selbsthilfeorganisationen betätigen sich bereits aktiv in der Praxisorientierung der Medizinerausbildung. Diese Erfahrungen gilt es zu sammeln, auszuwerten und für die Zielsetzungen dieses Vorhabens zu nutzen.

Zielsetzung

Das langfristige Ziel dieses Vorhabens ist die nachhaltige Verankerung von praxisbezogenem Wissen in der medizinischen Ausbildung, sodass das medizinische Personal gemeinsam mit der Gesundheitsselbsthilfe eine optimale Versorgung der Patienten gewährleisten kann.

Dabei sollte neben der Erst-Ausbildung von medizinischem Personal auch die Weiter- und Fortbildung berücksichtigt werden. Bei den Ärzten bedeutet dies im Allgemeinen:

  • Ärztliche Weiterbildung beinhaltet das Erlernen ärztlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten nach abgeschlossenem Medizinstudium und nach Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit (Approbation). Die ärztliche Weiterbildung erfolgt auf Grundlage der von der Delegiertenversammlung beschlossenen Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin in strukturierter Form, um in Gebieten die Qualifikation als Facharzt, darauf aufbauend in Schwerpunkten oder in einer Zusatz-Weiterbildung zu erhalten.
  • Die Ärztliche Fortbildung betrifft nach dem Medizinstudium und der Weiterbildungszeit zum Facharzt die längste Phase eines jeden Medizinerlebens. Sie dauert zwischen 20 und 40 Jahre. In dieser Zeit verändert sich das medizinische Wissen in einigen Bereichen grundlegend. Diese Herausforderung anzunehmen und die fachliche Kompetenz kontinuierlich zu aktualisieren und weiterzuentwickeln gehört zum ärztlichen Selbstverständnis, als Fortbildungsverpflichtung ist sie in der Berufsordnung und im SGB V verankert.

Ärztekammer Berlin, https://www.aerztekammer-berlin.de/50ueberUns/30_Aufgaben/index.html 

Des Weiteren sind nicht nur die Ärzte eine wesentliche Zielgruppe dieses Vorhabens. Denn auch anderes medizinisches Fachpersonal, wie Pflegekräfte, hat einen engen Kontakt zu den Patienten; oftmals ist deren Patientenkontakt deutlich intensiver als bei den Ärzten. Demnach gilt es, auch diese Berufsgruppe in ihrer Aus-, Fort- und Weiterbildung zu betrachten.

In dieser Hinsicht muss auch die Berufsbiografie des medizinischen Personals betrachtet werden. Dasjenige Personal, dass sich derzeit in der Ausbildung / im Studium befindet bzw. diese/s vor Kurzem abgeschlossen hat, erhält teilweise – gerade aufgrund der aktuellen und vergangenen Kooperationen mit Selbsthilfeorganisationen – bereits einen guten Einblick in die Thematik der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe. Aber auch hier besteht noch deutliches Optimierungspotenzial. Dagegen scheint es, dass medizinisches Personal, dass bereits mehrere Jahre in der Berufspraxis tätig ist, zumindest in der Ausbildung oder der weiteren Fortbildung keine theoretischen oder gar praktischen Kenntnisse über die gesundheitsbezogene Selbsthilfe vermittelt bekommt.

Aber auch die persönliche Beziehung des medizinischen Fachpersonals zur Selbsthilfe spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Beispielsweise zeigt sich, dass im Bereich der Onkologie das Personal mit längerer Berufserfahrung häufiger Gespräche mit Patienten über Selbsthilfe führen, als das Personal mit wenig Berufserfahrung, was unter anderem mit der persönlichen Einstellung des Personals zur Selbsthilfe im Zusammenhang stehen kann (vgl. Lebert, Burkhard: Kooperation von Pflege und Selbsthilfe in der Onkologie, in: selbsthilfegruppenjahrbuch 2012).

Aus diesen genannten Gründen ist es wichtig, dem medizinischen Fachpersonal sowohl theoretische Kenntnisse als auch praktische Erfahrungen über einen direkten Kontakt mit Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe zu vermitteln, um evtl. vorhandene Vorurteile abzubauen – und zwar im gesamten Zyklus ihrer beruflichen Laufbahn, von der Ausbildung, über die Weiterbildung bis hin zur Fortbildung. Daher sollten neben Universitäten und Pflegefachschulen auch entsprechende Berufsverbände wie die Ärztekammer oder der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe kontaktiert werden, um Kooperationsmöglichkeiten zu eruieren.

Umsetzungsmöglichkeiten und Erfahrungen

Auf Grundlage der beschriebenen Zielsetzung sowie aus den vorangegangenen Erfahrungen heraus wurden mittels umfangreicher Recherchen weitere Anlaufstellen, die sich mit der Praxisorientierung der Medizinerausbildung beschäftigen, recherchiert und kontaktiert. Aus Einzelgesprächen mit den betreffenden Stellen wurden die Möglichkeiten zur Implementierung der Gesundheitsselbsthilfe in die Medizinerausbildung eruiert bzw. die bereits vorhandenen Erfahrungen gesammelt. Einige der hierbei gesammelten Beispiele guter Praxis werden im Folgenden in Kürze dargestellt:
 

Ärzte - Studium

„Arzt-Patienten-Selbsthilfegespräche“, Heidelberger Selbsthilfebüro & HeiCuMed

 „Studierende der Medizin mit der Selbsthilfe vertraut zu machen – das ist das erklärte Ziel von Prof. Jana Jünger, Projektkoordinatorin bei der Heidelberger Medizinerausbildung HeiCuMed und Initiatorin einer Zusammenarbeit zwischen dem Universitätsklinikum, dem Heidelberger Selbsthilfebüro und Selbsthilfegruppen der Region. Für die Umsetzung dieser Idee war die Auszeichnung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen zum Selbsthilfefreundlichen Krankenhaus Türöffner und Segen zugleich.

Die angehenden Ärztinnen und Ärzte lernen in den 15 „Arzt-Patienten-Selbsthilfegesprächen“ pro Semester nicht nur die Selbsthilfe kennen, sondern sie werden gleich auch noch auf etwaige Fallstricke bei der Diagnosefindung hingewiesen: die erfahrenen Vertreter der 13 kontinuierlich mitarbeitenden Gruppen hatten seinerzeit als Patientin oder Patient zum Teil eine lange „Ärzte-Odyssee“ hinter sich, bevor die richtige Diagnose gestellt wurde. Hier können die Studierenden eindeutig für ihre zukünftige Arbeit aus deren Betroffenenperspektive profitieren. Eine Vorlesung über Selbsthilfe allgemein durch das Selbsthilfebüro rundet die Veranstaltung ab.

Mittlerweile im 4. Semester [Anm.: aktuell mittlerweile im 6. Semester], ist das Projekt inzwischen zum Pflichtfach avanciert. „Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet belegen die Nützlichkeit der Koppelung von Medizinstudium und Selbsthilfe“, so Prof. Jünger.“

(s. www.selbsthilfe-heidelberg.de/fileadmin/Selbsthilfe_Heidelberg/pdf/gesundheitspress_herbst2014.pdf  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen, Seite 14)

Patient-Partners-Projekt, Deutsche Rheuma-Liga

 „Geschulte Patient/innen als Partner in der Ärzte-Aus- und –Fortbildung – das ist die Idee des Patient-Partners-Programms, das die Deutsche Rheuma-Liga zusammen mit […] der Firma Pfizer im Jahr 2007 in Deutschland gestartet hat und seit Jahren erfolgreich durchführt.

Die geschulten Patient/innen stellen nicht nur ihre Hände zum Abtasten zur Verfügung, sie zeigen Ärzten und Medizinstudenten auch, wie man eine rheumatische Hand richtig untersucht, worauf der Arzt zu achten hat und was er über einen Betroffenen und dessen Leben mit Rheuma wissen sollte. In einer Kleingruppe von ca. fünf Ärzten übernimmt der/die geschulte Patient/in die Rolle eines Trainers. […] [Dabei] fordert er/sie in einem Rollenspiel die Ärzte auf, einen neu betroffenen Patienten mit Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung zu untersuchen und die entsprechenden Fragen für eine Anamnese zu stellen. Immer wieder gibt er/sie den Teilnehmern Rückmeldungen, was gut gemacht wurde, was man verbessern kann und welche Frage z. B. noch wichtig wäre.
[…]
Medizinstudenten bekommen von erfahrenen Patienten Rückmeldung zu ihrem Tun. […] Für die geschulten Patient/innen bietet sich die Chance, mit ihrer Erkrankung und ihren persönlichen Fähigkeiten eine positive und wichtige Rolle zu übernehmen und in der rheumatologischen Versorgung etwas zu verbessern.
[…]
Insgesamt sind ca. 120 Patient/innen in Deutschland geschult und im Einsatz.
[…]
Inzwischen ist das Projekt an der Charité in Berlin und an den Universitäten in [Düsseldorf,] Heidelberg, Münster, Köln und Hamburg im Einsatz. Ziel ist es, in weiteren Universitäten des Landes angehenden Ärzten mit diesem Projekt die Rheumatologie attraktiv zu vermitteln.“

(s. www.rheuma-liga.de/aktivitaeten/projekte/detailansicht/news/patient-als-partner/)

Ärzte - Fort- und Weiterbildung

„Bremer Reihe“, Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V. (BKMF e.V.)

Seit 2000 veranstaltet der BKMF (fast) jährlich zusammen mit Ärzten, Wissenschaftlern und anderen Fachleuten einen Workshop der so genannten „Bremer Reihe“. Diese finden in der medizinischen Fachwelt große Anerkennung. Zu diesen Workshops treffen sich Spezialisten aus ganz Deutschland und dem angrenzenden Ausland, um ihr Fachwissen auszutauschen und von den Erfahrungen der Betroffenen zu diesen seltenen Krankheitsbildern zu lernen. Am Ende des Workshops ist, wie jedes Mal, eine Expertenrunde zur Festlegung von Versorgungsstandards geplant. Die Veranstaltung wird von der Ärztekammer Bremen mit 15 Forbildungspunkten akreditiert.“
(s. bkmf.de/veranstaltungenseminare/id/180)

Tag der Allgemeinmedizin

  • Fortbildungsveranstaltung für Hausärzte und Med. Fachangestellte
  • Heidelberg und 15 weitere Universitätsstandorte in Deutschland
  • Regelmäßige Veranstaltungen unter Einbeziehung der Selbsthilfe zu versorgungsnahen Themen (http://www.degam.de/tage-der-allgemeinmedizin.html)

Verbundweiterbildung plus Baden-Württemberg

  • Überregional curricular verankertes Programm zur Sicherung des hausärztlichen Nachwuchses insbesondere im ländlichen Raum (www.weiterbildung-allgemeinmedizin.de)
  • Regelmäßige Unterrichtseinheiten mit Selbsthilfe

Anderes medizinisches Fachpersonal – Aus-, Weiter- und Fortbildung

Zusammenarbeit von onkologischer Fachpflege und Selbsthilfe, Akademie für Gesundheitsberufe, Heidelberg

„Zunächst gilt es, Vorurteile der Fachpflegenden gegenüber der Selbsthilfe abzubauen. Ein gutes Beispiel, wie das funktionieren kann, bietet die Heidelberger Weiterbildung „Pflege krebskranker chronisch-kranker Menschen“. Dort machen sich die Teilnehmenden mit der Charakteristik von Selbsthilfegruppen vertraut und erfahren Selbsthilfeangebote vor Ort. Und zwar gezielt für die Fachrichtungen der Patienten auf ihrer Station. Sie lernen Ansprechpartner einer Selbsthilfegruppe kennen und nehmen an einem Selbsthilfegruppentreffen teil. Anschließend tauschen sie ihre Erfahrungen im Kurs aus. Damit wird eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Selbsthilfe bewirkt und der direkte Kontakt zur Kontaktperson der Gruppe hergestellt. Auch steigt die Berücksichtigung der Selbsthilfe in Beratungsgesprächen der onkologischen Fachpflege mit Patienten und die Einbindung von Selbsthilfegruppenleitungen bei Patientengruppenschulungen.

All das hat dazu beigetragen, Vorurteile abzubauen und den direkten Kontakt herzustellen. Die Begegnung zwischen Pflegekräften und Selbsthilfegruppe läuft unter anderem über das Heidelberger Selbsthilfebüro.“

(s. www.selbsthilfe-heidelberg.de/fileadmin/ Selbsthilfe_Heidelberg/pdf/gesundheitspress_herbst2014.pdf, Seite 15)

„In der Heidelberger Weiterbildung „Pflege krebskranker, chronisch kranker Menschen“ ist ein Leistungsschein mit dem Ziel eingeführt, die Kooperation zwischen Weiterbildungsteilnehmern und Gruppenleitungen der Selbsthilfegruppen zu fördern. Dazu müssen die Kursteilnehmer eine für ihren Fachbereich relevante Selbsthilfegruppe finden, mit der Gruppenleitung Kontakt aufnehmen, einem Gruppentreffen beiwohnen, um anschließend das Konzept dieser Selbsthilfegruppe zu skizzieren und im Kurs zu präsentieren. Eine Beziehung zum Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe wird damit hergestellt und eine Kooperation angebahnt. Dieser Leistungsschein der Weiterbildung wird von den Teilnehmern als sehr nützlich und sinnvoll erachtet. Die Vorstellung in der Bundesarbeitsgruppe der Leitungen der Weiterbildung „Pflege krebskranker, chronisch kranker Menschen“ bewirkte eine Übernahme dieses Vorgehens für mehrere Kurse an verschidensten Orten Deutschlands.“

(s. www.dag-shg.de/data/Fachpublikationen/ 2012/DAGSHG-Jahrbuch-12.pdf, Seite 65)

Gesundheitstreffpunkt Mannheim und Pflegeschulen

„In der Universitätsmedizin Mannheim findet für jeden Ausbildungsjahrgang der Gesundheits- und Krankenpflegeschule Kurpfalz eine Doppelstunde zum Thema Selbsthilfe statt. Der Gesundheitstreffpunkt Mannheim gestaltet den Unterricht gemeinsam mit Aktiven aus unterschiedlichen Selbsthilfegruppen. Hier sollen Pflegekräfte sensibilisiert werden für die Bedeutung von Selbsthilfe. Sie sind wichtige Multiplikatoren und weisen später im beruflichen Alltag Patienten eher auf Selbsthilfegruppen hin, wenn sie deren Arbeit besser kennengelernt haben. Einige Gruppen sind in den Fachunterricht einbezogen – beispielsweise die ILCO zum Umgang mit Stoma oder der Badische Blinden- und Sehbehindertenverein zum Umgang mit Sehbehinderten und Blinden.“

(s. www.selbsthilfe-heidelberg.de/fileadmin/Selbsthilfe_Heidelberg/pdf/gesundheitspress_herbst2014.pdf  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen, Seite 14)

Fortbildung „Selbsthilfe – Unterstützung für Patient und Praxis“ für Medizinische Fachangestellte

„Wo gibt es Unterstützung für Angstkranke? Was kann man Angehörigen von Demenzpatienten raten? Kann die Selbsthilfe eine sinnvolle Ergänzung zur medizinischen Behandlung darstellen? Antworten aus erster Hand bekamen Medizinische Fachangestellte auf der Fortbildung „Selbsthilfe – Unterstützung für Patient und Praxis“. Die beiden Kooperationsberatungsstellen für Ärzte, psychologische Psychotherapeuten und Selbsthilfe (KOSA) der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen Lippe hatten das Konzept und das Schulungsmanual dazu gemeinsam entwickelt. Insgesamt konnten über die Projektlaufzeit von 2009 bis 2011 in 37 Veranstaltungen 666 Medizinische Fachangestellte erreicht werden.
[…]
In den Veranstaltungen lernten Medizinische Fachangestellte die Serviceangebote der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Selbsthilfekontaktstellen sowie Adressen aus dem regionalen Hilfenetz kennen und informierten sich über die Arbeit von Selbsthilfegruppen. Die authentischen Berichte der Selbsthilfevertreterinnen und -vertreter hatten jedes Mal große Überzeugungskraft.
[…]
Das Arbeitspensum ist auf drei Stunden ausgelegt, Kurzreferate, Kleingruppenarbeit und Diskussionen im Plenum wechseln sich ab. Um lebendiges Lernen zu ermöglichen, wurde die Zahl von 15 Teilnehmer/innen angestrebt. In Rahmen der kurzen Vorstellungsrunde benannten die Teilnehmerinnen Selbsthilfegruppen, von denen sie gehört hatten. Einige konnten auch von eigenen Erfahrungen berichten. Darauf aufbauend folgte eine Informationseinheit der Selbsthilfekontaktstellen […].
[…]
Das Kernstück des Seminars bildete die anschließende Begegnung mit der Selbsthilfe. Mit großem Engagement und sehr überzeugend haben die Gruppenvertreter/innen zu [...] Fragen Stellung genommen […].
[…]
In den meisten Veranstaltungen stellte sich eine Selbsthilfegruppe vor, einige Selbsthilfekontaktstellen hatten zwei Referent/innen aus verschiedenen Gruppen eingeladen.
[…]
Das letzte Modul der Fortbildung widmete sich dem Thema Kommunikation. Hier verschoben sich im Laufe der Zeit die Schwerpunkte. Ursprünglich wurde anhand des Kommunikationsmodells von Friedemann Schulz von Thun („Vier Ohren-Modell“: Sach-, Beziehungs-, Selbstkundgabe- und Appellebene) versucht, für die ‚Fallstricke‘ in der Kommunikation mit Patienten zu sensibilisieren, denn Praxismitarbeiterinnen erleben täglich problematische Situationen. Später zeigte sich jedoch, dass die Umsetzung der Selbsthilfe-Idee in der eigenen Praxis für die Teilnehmerinnen eine höhere Relevanz besaß.
[…]
Die Reaktionen der Seminarteilnehmerinnen zeigten immer wieder: das Herzstück der Fortbildung ist ein authentischer und überzeugender Auftritt der Selbsthilfevertreterinnen und -vertreter. Die Selbsthilfe persönlich zu erleben, ist die beste Voraussetzung, um mögliche Vorbehalte auszuräumen und ein positives Bild über die Selbsthilfe zu gewinnen. Vielen Medizinischen Fachangestellten wurde erst dadurch bewusst, dass die Patientinnen und Patienten von der Selbsthilfe viel Unterstützung erhalten können.“

(s. selbsthilfegruppenjahrbuch 2012, ab Seite 68)

Fazit

Aus den umfangreichen Recherchen sowie den nachfolgenden Einzelgesprächen hat sich herauskristallisiert, dass bereits ein breites Spektrum an Kooperationen zwischen Selbsthilfeorganisationen und Stellen der Aus-, Weiter- und Fortbildung von medizinischem Personal vorhanden ist. Bei vielen Gesprächen stellte sich ebenfalls heraus, dass diese Kooperationen stets stark von den jeweiligen Personen/Entscheidungsträgern der Stellen, deren Einstellung zur Selbsthilfe sowie bereits bestehenden Kontakten abhängig ist.

In diesem Zusammenhang schreibt sich auch die Tatsache fort, dass sich der Aufbau einer Kooperation mit einzelnen Universitäten oder anderen Stellen als äußerst schwierig gestaltet. Dennoch besteht auch bei Berufsverbänden ein erstes Interesse für weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, wobei hier langwierige Prozesse zu erwarten sind.

Aus diesem Grund sind folgende nächste Schritte zu empfehlen:

  • Kontakte zu denjenigen Stellen intensivieren, die bereits die Selbsthilfe in die Medizinerausbildung integrieren beziehungsweise starkes Interesse daran zeigen, um so gemeinsam mit den entsprechend erfahrenen Selbsthilfeorganisationen die positiven Beispiele und Ergebnisse weiterzutragen; eventuell Einrichtung eines „Arbeitskreises“
  • Zusammenfassung aller Beispiele gelungener Kooperationen, die bereits recherchiert wurden, in einer ansprechenden Form
    • Darauf basierend Erstellung eines Handlungsleitfadens sowohl für Selbsthilfeorganisationen als auch ausbildende Stellen, die an entsprechenden Kooperationen interessiert sind
  • Aktualisierung der Mustervorlesung
  • Nachfassen bei den bisher interessierten Stellen inkl. Vor-Ort-Gesprächen mit erfahrenen Selbsthilfeorganisationen, um entsprechende Kooperationen umzusetzen
  • Prüfung, ob die Einrichtung und Etablierung eines Selbsthilfe-Mobils, das vor Ort an Universitäten oder anderen Stellen der Aus-, Weiter- und Fortbildung von medizinischem Personal über die Selbsthilfe informiert, eine zielführende Option sein könnte.

Auf Basis dieser Schritte kann eine Verstetigung der bisherigen Kooperationen und der bereits geschlossenen Kontakte erreicht werden, um die Gesundheitsselbsthilfe weiter und effektiver in die Aus-, Weiter- und Fortbildung von medizinischem Personal zu integrieren.

Quellen

GKV-Spitzenverband: Leitfaden zur Selbsthilfeförderung, Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10. März 2000 in der Fassung vom 17. Juni 2013

Ärztliche Weiterbildung / Ärztliche Fortbildung, Aufgaben der Ärztekammer Berlin, aufgerufen unter
aekb.de/50ueberUns/30_Was_wir_tun/index.html (10.02.2015)

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) e.V. (Hrsg.):
selbsthilfegruppenjahrbuch 2012, Gießen 2012, aufgerufen unter
www.dag-shg.de/data/Fachpublikationen/2012/DAGSHG-Jahrbuch-12.pdf  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen (14.01.2015)

gesundheitspress, Magazin für und über Selbsthilfe in Mannheim, Heidelberg und der Region, Ausgabe 48 – Herbst/Winter 2014, aufgerufen unter www.selbsthilfe-heidelberg.de/fileadmin/Selbsthilfe_Heidelberg/pdf/ gesundheitspress_herbst2014.pdf (14.01.2015)

Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.: Patient als Partner, aufgerufen unter
www.rheuma-liga.de/aktivitaeten/projekte/detailansicht/news/patient-als-partner/ (14.01.2015)

Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V.: Workshop: Multiple Hereditäre Exostosen (MHE) und Tricho-Rhino-Phalangeale Syndrome (TRPS), aufgerufen unter
bkmf.de/veranstaltungenseminare/id/180 (14.01.2015)

Unterstützung bei Vorhaben / Aufruf zur Beteiligung

Gerne steht die BAG SELBSTHILFE Selbsthilfeverbänden zur Seite, die sich anhand der vorhandenen Materialien und Adressdaten in diesem Feld engagieren möchten. Nehmen Sie hierzu gerne Kontakt zu uns auf.

Sollte Ihre Selbsthilfeorganisation ebenfalls mit dem Ziel der weiteren Etablierung des Themas „Gesundheitsselbsthilfe“ in der medizinischen Ausbildung auf Universitäten, Fachhochschulen, Berufsfachschulen o.Ä. zugehen wollen, können Sie gerne die von der BAG SELBSTHILFE erstellte Mustervorlesung nutzen: 
Mustervorlesung zum Thema „Gesundheitsselbsthilfe als Gegenstand der medizinischen Ausbildung“ (2011)  Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen

 

Wenn auch Ihre Selbsthilfeorganisation entsprechende Kooperationen durchführt oder durchgeführt hat, freuen wir uns über Informationen hierzu.

Foto Dr. Martin Danner

Kontakt

Dr. Martin Danner

Bundesgeschäftsführer

Tel.: 0211 31006-49
Fax: 0211 31006-48
Mail: geschaeftsfuehrer@bag-selbsthilfe.de

Hauptgeschäftsstelle
Kirchfeldstraße 149
40215 Düsseldorf