Um grundsätzlich mehr Plasmaspenden zu generieren, haben sich einige unserer Verbände seit Jahren unter anderem für die Abschaffung der Anwesenheitspflicht eines Arztes in Plasmaspenderzentren eingesetzt, sodass die Aufhebung derselben in dem Entwurf grundsätzlich sehr positiv zu bewerten ist. Denn die Zentren können dadurch ihre Öffnungszeiten ausdehnen (so zum Beispiel Randöffnungszeiten für Berufstätige), und so mehr Plasmaspendertermine vereinbaren. Dass dabei die Telemedizin nach dem Begründungstext in erster Linie bei Dauerspendern eingesetzt werden soll, ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE sinnvoll, da diese dann nicht jedes Mal von Grund auf durchgecheckt werden müssen. Schwierig ist jedoch in diesem Zusammenhang die Formulierung in der Begründung zu § 1 zu den Erst-Spendern, wo die weite Formulierung einer „Empfehlung“ gewählt wird, wonach die Telemedizin vornehmlich bei Wiederholungsspendern einzusetzen sei. Dies widerspricht aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE der Notwendigkeit einer Gewährleistung der Spendersicherheit; vor diesem Hintergrund hält sie eine klarere Formulierung dahingehend, dass die Telemedizin nur bei Wiederholungsspender*innen eingesetzt werden kann, für dringend erforderlich.
Insgesamt hat die Patientensicherheit aus der Sicht der Betroffenen hohe Priorität. Von daher befürwortet die BAG SELBSTHILFE und ihre Verbände auch die Verpflichtung, dass bestimmte erhöhte Sicherheitsanforderungen vorliegen müssen. Zwar sind die neuen Vorgaben ohne Frage eine administrative Umstellung für die Mitarbeiter und mit weiteren nachweisbaren Schulungen verbunden. Allerdings sind nach unseren Erfahrungen die Mitarbeiter in den Zentren meist sehr gut geschult, so dass die Umsetzung für größere Zentren vermutlich keine zusätzlichen Schwierigkeiten darstellen dürfte; für kleinere Spendenzentren sollte jedoch geprüft werden, ob es hier zunächst Übergangsregelungen geben könnte, um deren Bestand nicht zu gefährden. Denn für uns ist unklar, ob diese die entsprechenden personellen und administrativen Anforderungen mit der gleichen Geschwindigkeit wie die größeren Zentren erfüllen können.
Insgesamt sieht die BAG SELBSTHILFE über die in der Verordnung geregelten Punkte hinaus jedoch noch weiteren Regelungsbedarf: Der Bedarf an menschlichem Blutplasma wird sich in den nächsten Jahren durch mehr Diagnosen und erweiterte Indikationen noch stark erhöhen. Um alle Patienten also ausreichend mit den lebensnotwendigen Medikamenten versorgen zu können, benötigt man aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE perspektivisch noch zahlreiche Anstrengungen, um die Spenderzahlen dauerhaft zu erhöhen. Hier setzt sich die BAG SELBSTHILFE und ihre Verbände schon seit Jahren für mehr Aufklärung in der Bevölkerung ein, z. B. für bereite Aufklärungskampagnen durch die BZgA. Auch Werbung mit einer Aufwandspauschale sollte den Zentren erlaubt werden; dies wurde ja auch von der SOHO-Verordnung inzwischen als unbedenklich eingestuft.
Insgesamt ist die Verordnung aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE als positiv und als Schritt in die richtige Richtung zu betrachten, da sie dazu beitragen kann, die Verfügbarkeit von Blut- und Plasmaspenden zu erhöhen. Dennoch bleibt Raum für weitere Verbesserungen, insbesondere hinsichtlich direkter Maßnahmen zur Erhöhung der Spendenbereitschaft und Sicherstellung einer umfassenden SpendersicherheitZu den Regelungen im Einzelnen:
I. Verordnungsentwurf
1. Zugangserleichterung durch Telemedizin (§ 1 Telemedizin-BlutspendeVO)
Die BAG SELBSTHILFE sieht die vorgesehene Regelung insgesamt positiv. Die Verordnung ermöglicht den Einsatz telemedizinischer Verfahren, was besonders in Gebieten mit Ärztemangel die Durchführung von Spendeterminen erleichtern kann. Dies hat das Potential, die Verfügbarkeit von Blut- und Plasmaspenden zu verbessern, was für die Betroffenen zu begrüßen ist.
Wie bereits eingangs dargestellt, sieht jedoch die BAG SELBSTHILFE eine Formulierung in der entsprechenden Begründung der Regelung sehr kritisch:
„Der Einsatz telemedizinischer Verfahren empfiehlt sich zunächst bei Wiederholungsspenderinnen und Wiederholungsspendern“.
Trotz zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko, dass die Abwesenheit eines Arztes vor Ort die Spendersicherheit beeinträchtigen könnte, insbesondere bei Erstspendern oder in Notfällen. Vor diesem Hintergrund fordert die BAG SELBSTHILFE eine Nachschärfung dahingehend, dass bei Erstspender*innen der Einsatz von telemedizinischen Verfahren nicht in Frage kommt.
2. Komplexe Anforderungen an Spendeeinrichtungen (§ 2 Telemedizin- BlutspendeVO)
Wie bereits eingangs dargestellt, wird die Erhöhung der Anforderungen an Spende-Einrichtungen von der BAG SELBSTHILFE grundsätzlich im Hinblick auf die Patientensicherheit sehr positiv gesehen, allerdings im Hinblick auf kleine Einrichtungen differenziert bewertet. Hier besteht die Befürchtung, dass die hohen Anforderungen an technische Ausstattung und Personal kleinere Spendeeinrichtungen überfordern und deren Betrieb gefährden könnten, was die Verfügbarkeit von Spendeterminen dann auch reduzieren könnte. Vor diesem Hintergrund sollte hier geprüft werden, ob entsprechende Übergangsregelungen geschaffen werden können.
3. Berichtspflichten und Überwachung (§ 4 Telemedizin-BlutspendeVO)
Auch diese Regelung wird von der BAG SELBSTHILFE begrüßt. Regelmäßige Berichte über die Auswirkungen der telemedizinischen Verfahren tragen zur Qualitätssicherung bei und ermöglichen es, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Gleichzeitig sollte engmaschig beobachtet werden, ob die Berichtspflichten und regelmäßigen Überprüfungen zu einem so hohen zusätzlichen administrativen Aufwand führen, dass diese – vor allem für kleinere Einrichtungen - eine zu hohe Hürde darstellen.
II. Weiterer Regelungsbedarf
Die BAG SELBSTHILFE sieht über die im Entwurf genannten Punkte weiteren Regelungsbedarf zur Erhöhung der Spendenbereitschaft:
4. Fehlende direkte Anreize für Spender
Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE und ihrer Verbände fehlen im Entwurf der Verordnung noch spezifische Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität der Plasmaspende, wie etwa finanzielle Entschädigungen oder andere Anreize. Ohne diese Anreize könnte die Spendenbereitschaft trotzdem zu niedrig bleiben.
5. Aufklärungskampagnen
Gleiches gilt aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE für die Frage von Aufklärungskampagnen: So fehlen Vorgaben für nationale oder regionale Aufklärungskampagnen, die die Bekanntheit und Bedeutung der Plasmaspende erhöhen könnten.
6. Fehlende europäische Kooperation
Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE muss die Versorgung mit Blutplasma auch immer im internationalen Kontext gedacht werden, da Deutschland in hohem Maße auf diese Kooperation angewiesen ist. Die Verordnung erwähnt keine Maßnahmen zur Förderung der europäischen Selbstversorgung mit Blutplasma, wodurch die Abhängigkeit von Plasmaimporten bestehen bleibt. Es bleibt zudem unklar, wie die vorliegende Verordnung mit der SOHO-Verordnung kompatibel ist.
Düsseldorf/ Berlin, 12. Juli 2024