1. Vorbemerkung:
Bevor die BAG SELBSTHILFE zu dem vorliegenden Referentenentwurf Stellung nimmt, sei zunächst anzumerken, dass uns dieser Referentenentwurf über den Deutschen Behindertenrat (DBR) am 01.09.2023 abends zugeleitet wurde und in diesem Zusammenhang das zuständige DBR-Sekretariat darauf hingewiesen hat, dass eine Stellungnahme zu diesem Referentenentwurf bis zum 06.09.2023 möglich ist. Angesichts des umfangreichen Referentenentwurfes von insgesamt 122 Seiten ist nach unserer Auffassung die vonseiten des zuständigen Ressorts gesetzte Frist viel zu kurz, um zum einen die jeweiligen Meinungen unserer Mitgliedsverbände einzuholen und zum anderen auch eine entsprechend dezidierte Stellungnahme zu verfassen. Insoweit stößt die vonseiten des Familienministeriums gesetzte kurze Frist bei uns auf absolutes Unverständnis.
2. Zielsetzungen der geplanten Kindergrundsicherung laut Referentenentwurf:
Grundsätzlich befürwortet auch die BAG SELBSTHILFE mit der Schaffung einer Kindergrundsicherung einen Neustart der Familienförderung. Mit der Kindergrundsicherung sollen künftig die verschiedenen staatlichen Finanzhilfen für Kinder und Jugendliche gebündelt werden zu einer einzigen Fördererleistung, diese soll im Weiteren einfach und automatisiert berechnet und ausgezahlt werden.
Ziel ist laut Familienministerium, dass mit der Kindergrundsicherung einzelne Leistungen verbessert werden und es soll in diesem Kontext zugleich sichergestellt werden, dass kein Kind durch die Zusammenlegung der bisherigen Leistungen -Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen aus dem Bürgergeld und der Sozialhilfe für Kinder - schlechter gestellt wird.
Die Kindergrundsicherung besteht aus zwei Komponenten, dem einkommensunabhängigen Kindergarantiebetrag (bisher: Kindergeld) sowie einem Kinderzusatzbetrag, der altersgestaffelt wird und vom Einkommen abhängt. Dafür wird der bisherige Kinderzuschlag weiterentwickelt und auch die Kinder, deren Eltern Bürgergeld oder Sozialhilfe beziehen (SGB II und SGB XII-Leistungen), in diese neu ausgestaltete Leistung aufgenommen. Das Bürgergeld bleibt als Auffangoption erhalten, sollte das soziokulturelle Existenzminimum des Kindes in Einzelfällen nicht durch den Zusatzbetrag gedeckt werden können.
Mit der Kindergrundsicherung hat sich die jetzige Ampelkoalition zum Ziel gesetzt, die Ausgangsbedingungen für Kinder in Deutschland weiter zu verbessern. Dies bedeutet zum einen, das soziokulturelle Existenzminimum - so wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist - neu zu bemessen. Mit der Kindergrundsicherung soll der Bedarf für Kinder an die aktuelle Lebenswirklichkeit angepasst werden, es soll mithin sichergestellt werden, dass durch die Zusammenführung unterschiedlicher Unterstützungsleistungen es zu keiner Verschlechterung für die Kinder und Jugendlichen kommen soll.
Zudem sollen mit der Kindergrundsicherung auch die Anrechnungsregeln für Einkommen vereinheitlicht werden. Sinn und Zweck dieser Regelungen soll sein, dass alle Kinder beim Bezug des Kinderzusatzbetrages künftig gleichbehandelt werden, was eine einheitliche, automatisierte sowie bürokratiearme Administration der Kindergrundsicherung ermöglichen soll. Des Weiteren sollen Unterhaltsleistungen sowie Unterhaltsvorschuss bei der Bemessung des Kinderzusatzbetrages als Kindeseinkommen künftig zu 45 % berücksichtigt werden, wie es bereits beim Kinderzuschlag der Fall ist. Um im Weiteren mehr Kindern die Möglichkeiten der Partizipation zu geben, sollen bereits heute die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (15 €) sowie das Schulstarterpaket einfacher zu beantragen sein, um eine höhere Inanspruchnahme zu ermöglichen.
Für die Beantragung der Kindergrundsicherung soll es zukünftig auch nur eine Anlaufstelle für alle Kinderleistungen geben, d. h. konkret den Familienservice der Bundesagentur für Arbeit.
Schließlich hat die Bundesregierung anlässlich Ihres Referentenentwurfes auch konstatiert, dass neben der neuen Kindergrundsicherung zudem gute Löhne und Beschäftigung, flächendeckende Betreuung sowie Zugang zu Bildung und Teilhabe für alle Kinder wichtige Voraussetzungen im Kampf gegen die Armut bedeuten. Die Bundesregierung will daher mit diesem Referentenentwurf zugleich auch die Anreize stärken für eine Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt sowie für ein stärkeres Bildungssystem, da diese weiteren Komponenten der beste Schutzschild gegen Armut seien.
Als Begründung führt die Koalition ins Feld, dass zwischenzeitlich auch der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben und damit auch ein Anreiz gesetzt wurde, dass sich Arbeit und Beschäftigung lohnen. Im Weiteren seien in diesem Zusammenhang auch die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringem Einkommen gesenkt worden.
3. Diskussionsbedarf zur Einführung einer geplanten Kindergrundsicherung:
a) Bereitstellung finanzieller Mittel:
Laut des vorliegenden Referentenentwurfes soll für die Zusammenführung der Leistungen sowie Verwaltungskosten ein Budget - nach Entscheidung des Bundesfinanzministeriums - in Höhe von ca. 2,4 Milliarden € mobilisiert werden. Auf der anderen Seite ist dem Referentenentwurf zu entnehmen, dass die Einführung der Kindergrundsicherung beim Kinderzusatzbetrag und bei den pauschalen Bildungs- Teilhabeleistungen im Familienservice der Bundesagentur für Arbeit zu einem zusätzlichen Erfüllungsaufwand in der Verwaltung von rund 0,5 Milliarden Euro führt.
Ursprünglich waren im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zur Einführung einer Kindergrundsicherung jedoch von Seiten der zuständigen Familienministerin Lisa Paus 12 Milliarden € gefordert worden, um die in dem Referentenentwurf im Einzelnen aufgeführten Zielsetzungen auch wirksam und mithin erfolgversprechend realisieren zu können. Aufgrund der nunmehr seitens des Finanzministeriums zur Verfügung gestellten Finanzmittel zur Umsetzung der Kindergrundsicherung ist nach unserem Dafürhalten für die eigentliche Adressatengruppe, d.h. für die betroffenen Kinder und Jugendlichen, mit einem aktuell zur Verfügung stehenden Finanzvolumen von ca. nur noch 2 Milliarden € (abzüglich 0,5 Milliarden € für Verwaltungskosten) eine erfolgreiche Umsetzung einer Kindergrundsicherung unseres Erachtens nicht gewährleistet.
b) Kinderarmut als gesamtgesellschaftlicher Schaden:
In diesem Zusammenhang sind auch nach unserer Auffassung die seitens der Bundesregierung ins Feld geführten Argumente, dass die Kindergrundsicherung nunmehr ein wichtiger Schritt sei, um die Ausgangsbedingungen für Kinder in unserem Land zu verbessern und dies auch nur im Zusammenhang mit einer Verbesserung von Erwerbsanreizen gelingen könne, nicht überzeugend.
Weder das seitens der Bundesregierung ins Feld geführte Argument einer Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt noch ein stärkeres Bildungssystem als bessere Alternativen zur Kindergrundsicherung sind in diesem Kontext einzig und allein ausschlaggebend, vielmehr werden unseres Erachtens hier „Äpfel mit Birnen“ vermischt.
Insbesondere das von Seiten des Bundesfinanzministeriums aufgeführte Argument, Armut lasse sich durch Arbeit der Eltern und Bildung lösen anstelle einer Kindergrundsicherung, geht an der Sache vorbei. In diesem Kontext ist rein klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Kindergrundsicherung keinen Anspruch der Eltern darstellt, sondern grundsätzlich den betroffenen Kindern und Jugendlichen zugutekommen soll. Ferner ist zu konstatieren, dass der Bundesfinanzminister selbst den Abbau vieler Hürden für Arbeit sowie bessere Arbeitseinkommen fördern könnte, z.B. durch eine steuerliche Entlastung für Arbeitseinkommen oder auch durch eine Reform von Ehegattensplitting.
Zudem möchten wir auch klarstellend darauf hinweisen, dass eine Verbesserung von Arbeitsmarkt- und auch Bildungschancen niemals ausreichende finanzielle Hilfen und eine Kindergrundsicherung ersetzen können. Denn es sei darauf hingewiesen, dass die Kinderarmut in Deutschland aktuell besteht und somit einen permanenten Schaden für die Betroffenen verursacht. Laut einer im Januar 2023 veröffentlichen Studie der Bertelsmann-Stiftung ist mehr als jedes 5. Kind und jeder 4. junge Erwachsene von Armut bedroht; demnach waren 2021 knapp 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche und weitere 1,55 Millionen junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren betroffen. Die Lage habe sich laut Bertelsmann-Stiftung nicht verbessert, sondern durch aktuelle Krisen und Preissteigerungen noch verschärft.
Die bestehende Kinderarmut in Deutschland kann unseres Erachtens somit nicht lediglich durch potenzielle Chancen auf Arbeit und ein besseres Einkommen in mehreren Jahren vermieden werden, sondern es muss jetzt zeitnah gehandelt werden!
Die hohe Kinderarmut in Deutschland ist nach wie vor ein großes soziales, wirtschaftliches sowie auch politisches Problem und in diesem Kontext ist es grundlegend falsch zu argumentieren, dass diese nach wie vor existierende Tatsache durch Versprechen besserer Bildungs- und Arbeitsmarktchancen gelöst werden könnte.
Wir möchten auch in diesem Zusammenhang festhalten, dass Kinderarmut nicht nur lediglich mit einem geringen Einkommen der Eltern zusammenhängt, sondern Kinderarmut bedeutet vielmehr auch eine fehlende Teilhabe in der Gesellschaft und sie verursacht bei Kindern und Jugendlichen einen lebenslangen Schaden in Bezug auf Gesundheit, Lebenszufriedenheit sowie Chancengleichheit.
Insofern kann auch die jetzige Bundesregierung dieses nach wie vor bestehende gesellschaftliche Problem in Deutschland nicht mit dem Hinweis relativieren, die Kinderarmut könne erfolgreich beseitigt werden durch stabile Gehälter, einen robusten Arbeitsmarkt, faire Löhne sowie eine starke Wirtschaft.
Hinzuzufügen ist, dass laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 25.05.2023 das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal 2023 gegenüber dem 4. Quartal 2022 um 0,3 % gefallen ist und im 2. Quartal 2023 stagnierte die wirtschaftliche Leistung im Vergleich zum 1. Quartal dieses Jahres.
Auch nach aktuellen statistischen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit steigt die Quote der erwerbslosen Menschen wieder. Gerade wegen der noch nicht lange zurückliegenden Corona Pandemie, steigender Mieten sowie einer hohen Inflation deutet somit vieles darauf hin, dass nach wie vor sehr viele bedürftige Familien ihren Lebensstandard nicht verbessern können und es somit auch keinen Grund für Zufriedenheit bei der Entwicklung der Kinderarmut in Deutschland geben kann.
Kinderarmut geht nicht nur einher mit einem kleinen Einkommen, sondern sie bedeutet – wie oben angeführt - auch eine geringe soziale, politische sowie wirtschaftliche Teilhabe. Von Armut betroffene Kinder haben - und dies möchten wir hinzufügen - nicht die gleichen Möglichkeiten, Ausflüge zu machen oder auch kulturelle Angebote zu nutzen wie andere Kinder. Dies führt im Weiteren zu schlechteren Bildungschancen, dies zeigt auch die hohe Zahl von 50.000 Jugendlichen, welche jährlich ihren Bildungsweg ohne Schulabschluss beenden. Kinderarmut nimmt vielen jungen Menschen somit schlichtweg ihre Zukunftsperspektive.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die jährlichen Kosten der Kinderarmut in Deutschland auf mehr als 100 Milliarden €. Eine auskömmliche Kindergrundsicherung, welche die Kinderarmut zu einem großen Teil beseitigen würde, würde laut dieser Organisation etwas mehr als 20 Milliarden € pro Jahr kosten. Insoweit sind die seitens der Bundesregierung veranschlagten 2,4 Milliarden € als Unterstützung noch nicht einmal „ein Tropfen auf den heißen Stein“ und tragen unseres Erachtens nicht dazu bei, die Zielsetzungen, die mit der Einführung einer Kindergrundsicherung in Deutschland verbunden werden, auch erfolgversprechend umzusetzen.
c) Kindergarantiebetrag – Änderung des Einkommenssteuergesetzes:
Mit unseren Mitgliedsverbänden erachten wir die neue Regelung von § 8 Bundeskindergrundsicherungsgesetz (BKG) i.V.m. § 74 Abs. 3 EStG-E als sehr problematisch.
§ 8 BKG – „Auszahlungsanspruch für volljährige Kinder“ – besagt: „§ 74 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes ist auf den Kindergarantiebetrag nach diesem Gesetz entsprechend anzuwenden“. In der neuen Regelung des § 74 Abs. 3 EStG-E ist vorgesehen, dass der Kindergarantiebetrag an das Kind ausgezahlt wird, wenn dieses das 18. Lebensjahr vollendet hat und bei dem „Familienservice“ die Auszahlung an sich selbst begehrt. Dieser neue Auszahlungsanspruch für volljährige Kinder bedeutet für kindergeldberechtigte Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung eine erhebliche Verschlechterung gegenüber der derzeitigen Rechtslage.
Konkret betroffen von dieser Verschlechterung sind Eltern, denen ein Anspruch auf Kindergeld zusteht, weil ihre erwachsenen Kinder infolge „einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BKG). In der Regel haben die Kinder einen hohen Unterstützungsbedarf, sind dauerhaft voll erwerbsgemindert und können deshalb ihrerseits bei den Sozialämtern einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII geltend machen.
Bei einem Zusammenfallen des Anspruchs von Menschen mit Behinderung auf Grundsicherung mit dem Anspruch der Eltern auf Kindergeld bewirkt die Auszahlung des Kindergeldes an das volljährige Kind mit Behinderung, dass das Kindergeld als Einkommen des Kindes zu betrachten ist und damit bedarfsmindernd auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII angerechnet wird.
Die Grundsicherung des Kindes wird also um den Betrag des Kindergeldes gekürzt und bei den Eltern kommt das Kindergeld aufgrund der Auszahlung an ihr erwachsenes Kind mit Behinderung künftig gar nicht erst an, wodurch ihnen die finanzielle Ausgleichfunktion dieser Leistung verloren geht.
Die Auszahlung des Kindergeldes (jetzt: Kindergarantiebetrag) an das Kind lässt sich auch nicht dadurch umgehen, indem das grundsicherungsberechtigte Kind mit Behinderung davon absieht, eine Auszahlung an sich selbst zu begehren. Denn in diesem Fall werden sich die Sozialämter auf den in § 2 SGB XII verankerten Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe berufen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, „wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält“. Im Ergebnis würde der neue Auszahlungsanspruch also darauf hinauslaufen, dass die betroffenen Eltern das Kindergeld (Kindergarantiebetrag) in Höhe von derzeit 250 Euro monatlich nicht mehr erhalten.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Eltern auch weiterhin ihre Kinder mit Behinderung lebenslang pflegen und unterstützen werden, muss auch nach unserer Ansicht auf jeden Fall vermieden werden, dass diese finanzielle Ausgleichsfunktion durch den Auszahlungsanspruch für volljährige Kinder ausgehebelt wird.
Unter Bezugnahme auf den in § 74 Abs. 3 EStG-E vorgesehenen Auszahlungsanspruch bedarf es somit auch nach unserem Dafürhalten einer Ausnahmeregelung für diejenigen volljährigen Kinder, die gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG – „Kinder, Freibeträge für Kinder“ - aufgrund einer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten.
Zudem verwundert die neue Regelung des § 74 Abs. 3 EStG-E auch insoweit, als dass der Deutsche Behindertenrat (DBR) am 10.05.2023 in seinem „Positionspapier zu der von der Bundesregierung geplanten Einführung einer Kindergrundsicherung“ bereits auf die Gefahren einer solchen Regelung hingewiesen hat.
d) Positionen des Deutschen Behindertenrates (DBR) zur Kindergrund-sicherung:
Anlässlich der geplanten Kindergrundsicherung möchten wir schließlich auch auf dieses konsentierte Positionspapier des Deutschen Behindertenrates (mit Datum vom 10.05.2023) verweisen, wonach der DBR mit Nachdruck folgende Forderungen aufstellt, welche wir uns nicht nur als Mitglied, sondern auch als 2. Säule des DBR vollumfänglich zu eigen machen:
- Grundsätzlich begrüßt auch der DBR die mit der Kindergrundsicherung verbundenen Zielsetzungen, insbesondere Bekämpfung von Kinderarmut sowie Entbürokratisierung kindbezogener Leistungen;
- Der DDR fordert deshalb, dass der Kindergeldanspruch für Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung im Zuge der Schaffung einer Kindergrundsicherung erhalten bleiben muss oder zumindest nicht ersatzlos wegfallen darf. Dem Kindergeld (Kindergarantiebetrag) kommt eine wichtige finanzielle Ausgleichsfunktion zu. Es trägt der Unterhaltsleistung von Eltern gegenüber ihren Kindern mit Behinderung Rechnung, welche insbesondere in Form von tatsächlicher Unterstützung häufig ein Leben lang erfolgt. Der Deutsche Behindertenrat hält einen solchen finanziellen Ausgleich für zwingend erforderlich, solange es keine ausreichenden Betreuungs- und Unterstützungsanzugangebote, insbesondere für Menschen mit Behinderung und komplexen Unterstützungsbedarf gibt und Eltern dadurch immer wieder in die Pflicht genommen werden, die Betreuung und Versorgung ihrer erwachsenen Kinder mit Behinderung selbst sicherzustellen;
- Sollte der derzeitige Kindergeldanspruch in der Kindergrundsicherung aufgehen und diese künftig an die Kinder direkt gezahlt werden, muss es stattdessen eine entsprechende finanzielle Entlastungsleistung für Eltern behinderter Kinder geben, welche die lebenslange Unterhaltssituation der Eltern berücksichtigt. Diese Entlastungsleistung muss Einkommen der Eltern bleiben. Eine bedarfsmindernde Anrechnung dieser Entlastungsleistung auf Sozialleistungen, die ein Kind mit Behinderung bezieht, darf auch weiterhin nicht erfolgen.
- Ferner sind an den Bezug des Kindergeldes zahlreiche Steuervorteile für Eltern behinderter Kinder geknüpft. Dazu gehören, beispielsweise die Übertragbarkeit des Behinderten-Pauschbetrages sowie die Geltendmachung weiterer außergewöhnlicher Belastungen, welche die erwachsenen Kinder mit Behinderung selbst mangels ausreichenden Einkommens nicht in Anspruch nehmen können;
- Der DBR fordert deshalb, sicherzustellen, dass bestehende Steuervorteile für Eltern behinderter Kinder nicht verloren gehen;
- Für Beamte oder pensionierte Beamte, die Kindergeld für ein erwachsenes Kind mit Behinderung erhalten, sind weitere beamtenspezifische Regelungen an das Kindergeld gekoppelt, nämlich eine zusätzliche Stufe im Familienzuschlag, (bis zu 400 € im Monat) und vor allem die Beihilfeberechtigung des erwachsenen Kindes mit Behinderung. Der Wegfall der Beihilfeberechtigung des Kindes hätte zur Folge, dass die Eltern ihr Kind mit Behinderung zu 100 % privat krankenversichert müssten, was sehr hohe Kosten auslöst;
- Der DBR fordert deshalb, die beamtenspezifischen Regelungen bei der Ausgestaltung der Kindergrundsicherung zu berücksichtigen;
- Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist für Eltern behinderter Kinder erheblich erschwert. Infolge fehlender Betreuungsstrukturen verzichtet in der Regel ein Elternteil vollständig auf Berufstätigkeit oder reduziert seine Erwerbstätigkeit deutlich, um die Pflege und Betreuung des behinderten Kindes sicherzustellen. Dies mindert das Familieneinkommen für viele Jahre beträchtlich. Das gleiche gilt für das Renteneinkommen der Familie. Besonders prekär stellt sich die Situation von alleinerziehenden Elternteilen dar. Eltern behinderter Kinder sind deshalb häufig auf Sozialleistungen wie z.B. das Bürgergeld nach dem SGB II oder die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII angewiesen. Da es sich beim Kindergeld um Einkommen der Eltern handelt, wird es zurzeit auf die von Ihnen bezogenen Sozialleistungen bedarfsmindernd angerechnet;
- Der DBR fordert deshalb, dass Entlastungsleistungen für Eltern von Menschen mit Behinderung vor allem einkommensschwachen Haushalten zugutekommen müssen. Künftig ist deshalb sicherzustellen, dass das Kindergeld (jetzt: Kindergarantiebetrag) im Falle eines etwaigen Sozialleistungsbezugs der Eltern anrechnungsfrei bleibt.
BAG SELBSTHILFE, Berlin/Düsseldorf, den 06.09.2023