Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung über die Registrierung von beruflichen Betreuern (BtRegV)

Für die Möglichkeit der Stellungnahme zu dem o.g. Verordnungsentwurf des BMJ über die Registrierung von beruflichen Betreuern (BtRegV) möchten wir herzlich danken. Als Dachverband von 117 Bundesorganisationen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und von 12 Landesarbeitsgemeinschaften nehmen wir zu dem Verordnungsentwurf wie folgt Stellung:

1. Vorbemerkung:

Die BAG SELBSTHILFE begrüßt grundsätzlich mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf die Einführung von Mindesteignungskriterien für berufliche Betreuer, welche einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut dienen sollen, konkret dem staatlichen Schutz von betreuungsbedürftigen und somit besonders vulnerablen Menschen vor unqualifizierten sowie unzuverlässigen beruflichen Betreuern.

Zudem befürworten die BAG SELBSTHILFE sowie ihre Mitgliedsverbände, dass mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf eine einheitliche Mindestqualität hinsichtlich Sachkunde sowie persönlicher Eignung und Zuverlässigkeit in der beruflichen Betreuung sichergestellt werden soll, insbesondere auch unter Berücksichtigung einer gleichberechtigten Teilhabe, der Achtung sowie Gewährleistung der Menschenrechte. Zentrales Anliegen des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 ist die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Betreuten unter Wahrung der Grundsätze aus Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention. Eine solche Qualitätssicherung soll mithin im Bereich der beruflichen Betreuung durch Aufstellung einheitlicher Mindesteignungsanforderungen an die Betreuer im Sinne von „professionellen Qualitätsstandards“ erreicht werden.

Um diese Ziele zu erreichen bzw. umzusetzen, bedarf es jedoch nach Ansicht der BAG SELBSTHILFE und der Behindertenverbände eines erheblichen Nachbesserungsbedarfes im Hinblick auf den vorliegenden Verordnungsentwurf.

2. Regelungslücken und Nachbesserungsbedarf:

Folgende Punkte sind bisher nicht ausreichend berücksichtigt:

A) Zunächst ist in § 3 Abs. 2 Nr. 1b BtRegV folgende Ergänzung aufzunehmen:

„§ 3 (Sachkunde):

……

(2) Die nach § 23 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 des Betreuungsorganisationsgesetzes erforderliche Sachkunde umfasst folgende Kenntnisse:

1. Kenntnisse des Sozialrechts, insbesondere zu

a) Grundlagen und Umfang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft, vor allem nach dem zweiten und zwölften Buch Sozialgesetzbuch,

b) Sozialleistungen nach dem Fünften, Sechsten, Neunten und Elften Sozialgesetzbuch,..."

In unserer Gesellschaft werden viele Menschen mit Beeinträchtigungen noch von ihren Angehörigen im Rahmen einer ehrenamtlichen Betreuung betreut (häufig Eltern, teilweise schon die Geschwister). Da viele dieser ehrenamtlichen Betreuer schon älter sind oder sich teilweise auch überfordert fühlen, ist davon auszugehen, dass zukünftig häufiger Betreuungen durch Berufsbetreuer erforderlich werden. Bereits mit der Trennung der Leistungen im SGB XII sowie SGB IX zum 01.01.2020 haben viele Eltern die ehrenamtliche Betreuung wegen eines zusätzlichen bürokratischen Aufwandes abgegeben. Gleichzeitig sind für beeinträchtigte Menschen mit Assistenzbedarf die Leistungen der Eingliederungshilfe von besonderer Bedeutung. Deshalb ist es aus Sicht der BAG SELBSTHILFE erforderlich, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe aus dem SGB IX bei den Kenntnissen zum Sozialrecht ausdrücklich berücksichtigt werden müssen.

Es wird zwar in § 3 Abs. 2 Nr. 2 a) BtRegV (…“Teilhabeleistungen vor allem nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch…“) auch auf das SGB IX Bezug genommen, nach unserem Verständnis der Norm geht es hierbei aber eher um die praktische Umsetzung (wer kann die Leistung erbringen etc.?)

Auch in der Anlage zu § 3 Abs. 4 BtRegV (inhaltliche Anforderungen an die Sachkunde) werden zwar in Modul 9 die Teilhabeleistungen nach dem SGB IX aufgegriffen, diese sind aber unseres Erachtens unter den Kenntnissen des allgemeinen Sozialrechts (Modul 8.: „Grundkenntnisse des Sozialrechts“) zu fassen.

B) § 32 Abs. 2 S.1 BtOG (Betreuungsorganisationsgesetz) gewährt denjenigen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Reformgesetzes bereits seit mindestens drei Jahren beruflich Betreuungen führen, insoweit Bestandsschutz, als bei diesen Betreuern das Vorhandensein ihrer Sachkunde vermutet wird.

Dies bedeutet auch nach dem vorliegenden Verordnungsentwurf, dass diese Gruppe von Berufsbetreuern keinen Sachkundelehrgang (modular aufgebauter Sachkundelehrgang) im Sinne einer Basisqualifikation absolvieren müssen, sondern im Gegenteil einen Bestandsschutz genießen. 

Nach unserem Dafürhalten ist jedoch auch für solche Berufsbetreuer, welche seit mindestens drei Jahren berufliche Betreuungen durchführen, zumindest eine „Basisqualifikation“ i.S. der § 4 Nr.2, § 6 und Anlage zu § 3 Abs. 4 BtRegV notwendig, allein geschuldet der Tatsache, dass sich die Sozialgesetzgebung ständig ändert und mithin auch die Aufgaben der Betreuung komplexer geworden sind.

C) Des Weiteren stellt sich für die BAG SELBSTHILFE und ihre Mitgliedsverbände anhand des vorliegenden Verordnungsentwurfes die Frage, wie eine Sicherstellung des Mitspracherechts bei nicht einwilligungsfähigen Personen mit Behinderung erfolgt. Werden in diesem Kontext z.B. die nahen Angehörigen angehört und berücksichtigt?

D) Auch ist es nach unserem Dafürhalten dringend angezeigt, dass die Berufsbetreuer nicht nur eine entsprechende fachliche Qualifikation sowie eine entsprechende persönliche Eignung mitbringen, sondern darüber hinaus sollte auch eine Deckelung der Anzahl der zu betreuenden Fälle gesetzlich vorgeschrieben sein (beispielsweise nicht mehr als 40 Fälle pro Berufsbetreuer). Denn bei einer darüberhinausgehenden Anzahl von zu betreuenden Fällen ist unserer Ansicht nach eine sorgfältige und mithin verantwortungsvolle Ausübung der Aufgaben gegenüber der zu betreuenden Person nicht mehr gewährleistet; auch das Halten eines persönlichen Kontaktes zu dem Betreuten ist dann ebenfalls nicht mehr gewährleistet.

E) Auch ist die grundsätzliche Frage zu stellen, ob es in Zukunft angezeigt ist, dass die Berufsbetreuer zugleich andere berufliche Tätigkeiten ausführen, z.B. in ihrer Eigenschaft als Rechtsanwalt, Makler oder Ergänzungspfleger. Nach unserem Dafürhalten besteht auch in diesem Kontext die hohe Gefahr einer Interessenkollision.

F) Ferner ist nicht geklärt die grundsätzliche Frage, wie das erste Beratungs- bzw. Kennenlern-Gespräch vor Beginn einer beruflichen Betreuung mit dem Betreuten umgesetzt wird. Besteht der zukünftige Berufsbetreuer auf einem Entgelt für diesen Besuch? Sind die Kosten für ein solches Beratungsgespräch geregelt?

G) Auch fehlt nach unserem Dafürhalten eine gesetzliche Regelung dahingehend, dass die Aufgaben einer Berufsbetreuung zeitlich zu befristen sind. Auch ist Tatsache, dass die Betreuungsgerichte überlastet sind, mit der Folge, dass die Betroffenen sehr oft gar kein Gehör finden und zum anderen Ihnen auch ein fachkundiger Rechtsbeistand fehlt.

H) Des Weiteren stellt sich die Frage, wie im Ergebnis sichergestellt werden kann, dass bei einer beruflichen Betreuung eine Begünstigung von dritten Personen (z.B. bei einem Immobilienverkauf) von vornherein vermieden wird. Denn es dürfte auch unstrittig sein, dass gerade bei einem vorhandenen großen Vermögen des Betreuten der berufliche Betreuer aufgrund seiner ihm auch obliegenden Vermögenssorge eine nicht unerhebliche Steuerungsmöglichkeit besitzt. Um einem Missbrauch vonseiten der Berufsbetreuer vorzubeugen, bedarf es daher unserer Ansicht nach weiterer konkreter gesetzlicher Regelungen.

I) Der vorliegende Verordnungsentwurf trägt auch nicht dem Umstand hinreichend Rechnung, dass die Betreuungsgerichte wegen einer chronischen Unterbesetzung bzw. wegen Personalmangels ihrer gesetzlichen Kontrollfunktion oft nicht hinreichend nachkommen. Auch ist zu verzeichnen, dass sehr häufig eine folgenschwere zeitliche Verschleppung vonseiten der Betreuungsgerichte zum Nachteil des Betreuten vorliegt. Es sollte mithin auch in diesem Verordnungsentwurf ausdrücklich geregelt werden, dass es auch ein Recht auf Eilentscheidungen zugunsten des Betreuten gibt.

J) Ferner stellt sich für die BAG SELBSTHILFE die grundsätzliche Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten die betreuenden Personen haben, um eine ehrenamtliche Betreuung durchzusetzen. Gemäß der Vorschrift des § 1897 Abs. 6 BGB ist vorrangig ein ehrenamtlicher Betreuer zu bestellen. Allerdings sieht die Realität derzeit anders aus, d. h. sehr viele Betreuungsgerichte halten sich nicht an diese gesetzliche Vorschrift und bestellen letztlich gegen den Willen der betroffenen Person einen Berufsbetreuer.

Wer kontrolliert letztlich im Hinblick darauf die Betreuungsgerichte und welche Möglichkeiten haben die betroffenen Personen, in ihrem Sinne eine ehrenamtliche Betreuung durchzusetzen? Ergänzend hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass auch dieser Verordnungsentwurf mit Unterstützung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe erarbeitet wurde, an der nicht nur Vertreter der zuständigen Landesressorts, der kommunalen Spitzenverbände, des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen, sondern u.a. auch Vertreter des Betreuungsgerichtstages e.V. beteiligt waren.

K) Schließlich muss auch die in dem vorliegenden Verordnungsentwurf aufgeführte sog. „unterstützte Entscheidungsfindung“ (Modul 2:“Betreuungsführung“ und  Modul 11:„Betreuungsspezifische Kommunikation/Methoden der unterstützten Entscheidungsfindung“) anlässlich der Wahrnehmung der den beruflichen Betreuern obliegenden Aufgaben im Sinne der zu betreuenden Menschen umgesetzt werden und insoweit auch einer regelmäßigen Kontrolle unterliegen.

Dies bedeutet, dass im Sinne des Artikels 12 Abs. 3 UN-BRK sich auch die Pflicht gerade für die Kraft gerichtlicher Bestellung tätigen Berufsbetreuer ergibt, dem Betreuten die stetige Unterstützung dahingehend zu geben, die er bei der Ausübung seiner Rechts- und Handlungsfähigkeit benötigt. Diese auch in der vorliegenden Verordnung aufgeführten Vorgaben sollen nicht nur möglichst gut erfüllt, sondern auch in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, um den Bedürfnissen sowie auch den Wünschen des Betreuten im Sinne der Vorschrift des § 1821 Abs. 2 BGB n.F.  (welche zum 01.01.2023 in Kraft tritt) gerecht zu werden.

In dem Regierungsentwurf zur Reform des Betreuungsrechts steht, dass die Betreuungsgerichte eine zentrale Kontrollfunktion übernehmen. Ihre Aufgabe ist es „im Interesse größtmöglicher Selbstbestimmung des Betreuten zu überprüfen, ob der Betreuer sein Handeln nach den Wünschen des Betreuten ausrichtet und so weit wie möglich eine unterstützte Entscheidungsfindung und -Umsetzung ermöglicht“.

In Art. 12 Abs. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention ist anerkannt, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen handlungs- und rechtsfähig sind. Menschen mit Behinderungen sind somit unter allen Umständen Rechtsträger (Art. 12 Abs. 1 UN-BRK). Es ist insoweit auch für die Umsetzung der UN-BRK entscheidend, dass die Anliegen gerade auch von Menschen mit Beeinträchtigungen und ihrer Organisationen, in allen Phasen der Einführung und Verwirklichung der „unterstützten Entscheidungsfindung“ maßgeblich und wirksam sind (Art. 4 Abs. 3 UN-BRK).

3.Fazit:

Um die in dem vorliegenden Verordnungsentwurf (BtRegV) aufgeführten Regelungen einer einheitlichen Mindestqualität hinsichtlich Sachkunde sowie persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit in der beruflichen Betreuung sicherzustellen, insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen als zu betreuende Personen eine gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu garantieren, sollten im Rahmen der Erarbeitung einer endgültigen Fassung der vorliegenden Rechtsverordnung die von uns dargelegten Punkte mit berücksichtigt werden, auch um dem ausdrücklich genannten Leitgedanken der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie gerecht zu werden.

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