Gleichzeitig wird die vorgesehene Verteilung zwischen Vorhaltepauschalen und DRG mit 60/40 aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE leider keine Entökonomisierung der Medizin zur Folge haben, sondern es werden voraussichtlich nur andere Anreize gesetzt. Letztlich ist die Orientierung an den Fallzahlen vom Vorjahr mit Mindestvorhaltezahlen – neben den Qualitätsvorgaben - keine Abkoppelung von den Fallzahlen, sondern nur eine Verlagerung der Anreize. Andererseits sieht die BAG SELBSTHILFE bei einer völligen Entkoppelung der Anreize von Fallzahlen das erhebliche Risiko, dass sich die Wartezeiten von vielen Patient*innen erheblich verlängern, da es sich in Zeiten des Personalmangels nicht mehr ökonomisch lohnt, zu viele Patient*innen zu behandeln. Vor diesem Hintergrund sieht sie leider keine wirkliche Alternative zur – zumindest teilweisen - Ausrichtung an Fallzahlen – mittelbar oder unmittelbar. Allerdings kann auch die im Gesetzentwurf gewählte Vorgehensweise dazu führen, dass Patient*innen abgewiesen werden, weil nach der Abschätzung der Verwaltung keine weiteren Operationen für die Mindestvorhaltezahlen erforderlich sind. Insgesamt ist es aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE deswegen wichtig, die Entwicklung sehr engmaschig zu beobachten, da derartige Anreizsysteme immer zu Fehlentwicklungen führen können.
Mit Nachdruck wendet sie sich hingegen gegen die Ausgestaltung des Transformationsfonds; dieser soll aus dem Gesundheitsfonds gespeist werden, so dass insoweit eine Belastung nur der GKV-Beitragszahler stattfindet, obwohl es sich um Kosten handelt, die aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ebenfalls gesamtgesellschaftlich aus Steuermitteln zu tragen wären; gänzlich unverständlich ist es, warum die Private Krankenversicherung hier nicht zur Finanzierung herangezogen wird. Insoweit fordert die BAG SELBSTHILFE hier eine Umgestaltung des Gesetzentwurfes dahingehend, dass die unangemessene zusätzliche Belastung der Beitragszahler*innen zurückgenommen wird; es dürfte noch zu klären sein, ob eine derartige Verlagerung der Kosten angesichts der Entscheidung des Bundessozialgerichtes zur BzgA vom 18.05.2021, B 1 A 2/20 R überhaupt verfassungsgemäß ist.
Zudem sieht die BAG SELBSTHILFE das Risiko, dass sich die Länder noch weiter aus der Investitionskostenfinanzierung herausziehen, zu der sie eindeutig gesetzlich verpflichtet sind; unter Umständen werden sie hälftige Kosten für den Transformationsfonds als Beitrag zur Erfüllung ihrer Investitionskostenfinanzierung werten und sich ansonsten auf die strukturelle Sicherung der Krankenhäuser durch die Vorhaltepauschalen verlassen. Dies dürfte aber zur Folge haben, dass die Beitragszahler noch stärker zur Finanzierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge herangezogen werden, als dies bereits jetzt der Fall ist. Insgesamt sollte es politisch geklärt werden, wie die Länder zur auskömmlichen Zahlung der Investitionskosten – sowohl im Krankenhausbereich als auch im Bereich der Langzeitpflege – angehalten werden können. Letztlich werden nämlich so Beitragszahler*innen der gesetzlichen Krankenkassen mit ihren Beiträgen zu Strukturaufgaben herangezogen, für die sie eigentlich schon Steuern gezahlt haben.
Eine weitere große Sorge der BAG SELBSTHILFE war und ist, dass mit der Reform bestehende qualitativ hochwertige Strukturen zerschlagen werden könnten, die für betroffene Patient*innen eine wichtige Anlaufstelle darstellen. Sie sieht es deswegen sehr positiv, dass offenbar geplant ist, die bestehenden Regelungen für Fachkliniken zu flexibilisieren (§ 135e Abs. 4). Insbesondere in der sog. Frührehabilitation könnten bestimmte Anforderungen zur Schließung von Einrichtungen führen, aber auch rheumatische Fachkliniken können beispielsweise betroffen sein. Generell sollte aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE in solchen Fällen, in denen Qualitätsanforderungen nicht für alle Einrichtungen passen, da die dort behandelten Patient*innen sehr unterschiedliche Risikoprofile aufweisen, hinreichend nach Einrichtungsart differenziert werden. Wo Risikopatient*innen behandelt werden, müssen die entsprechenden Qualitätsanforderungen gelten; soweit dies nicht der Fall ist, müssten die Qualitätsanforderungen durch Kooperationen erfüllbar bleiben. Auch im Bereich der Rheumatologie ist die Situation ähnlich, da die Fachkliniken ganz unterschiedliche Schwerpunkte haben und deswegen einheitliche Qualitätsanforderungen nicht wirklich zielführend sind. Auch hier müssen differenzierte Lösungen gefunden werden; auch hier sollten Qualitätsanforderungen durch Kooperationen möglich sein und Ausnahmen von bestimmten Personalanforderungen gewährt werden können. Nach unserer Wahrnehmung fehlt für diesen Bereich (Rheumatologie) noch das Kriterium Kooperation in der entsprechenden Liste.
Denn auch wenn die Patientenvertretung seit jeher für eine hohe fachlich qualifizierte Ausstattung von Abteilungen eintritt, musste sie in ihren Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss auch feststellen, dass teilweise Versorgungen nicht mehr stattfinden, weil die personellen Anforderungen nicht erfüllt werden können. Hier muss es flexible Lösungen geben.
Die gesonderte Behandlung muss aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE auch für die zertifizierten Zentren gelten, etwa im Bereich der seltenen Erkrankungen oder onkologischen Erkrankungen. Denn diese sind nicht immer an Universitätskliniken angesiedelt und können durch die Levelfinanzierung in finanzieller Hinsicht gefährdet sein.
Zudem werden aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE viele Fragen zur stationären Versorgung von Menschen mit Behinderung zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen noch nicht hinreichend beantwortet; offenbar sollen auch für diese Krankenhäuser Lösungen gefunden werden. Zu Recht: Ergänzend zu den in den Leistungsgruppen abgebildeten Versorgungsbereichen müssen Krankenhäuser Menschen mit Behinderung spezialisierte Gesundheitsleistungen zur Verfügung stellen (können), die sie aufgrund der gesundheitlichen Folgen ihrer Behinderung benötigen (Art. 25b UN-BRK). Menschen mit besonders komplexen Gesundheitsstörungen bzw. schwerer geistiger und körperlicher Mehrfachbehinderung sind ergänzend zur Regelversorgung häufig auf ein qualifiziertes Behandlungsangebot angewiesen. Daher ist es nötig, bewährte hierauf spezialisierte Angebote wie Besondere Einrichtungen, besonders spezialisierte Fachabteilungen bzw. Krankenhäuser zu erhalten und sie in die neuen Strukturen zu integrieren und weiterzuentwickeln. In den neuen Strukturen muss es auch möglich sein, neue spezialisierte Angebote wie z.B. Fachabteilungen zur Unterstützung der stationären Regelversorgung für Personen mit besonders komplexen Gesundheitsstörungen bzw. schwerer geistiger und körperlicher Mehrfachbehinderung aufzubauen. Insbesondere in den Krankenhäusern nach
§ 115g sollte als Beitrag zur sektorenübergreifenden Versorgung eine Kooperation von MZEB mit dem stationären Sektor möglich sein.
Schwierig ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ferner, dass unklar ist, wie strukturelle Aufgaben wie soziale Dienste oder Weiterbildung der Ärzte in den Vorhaltepauschalen abgebildet sind. Denn dass Ärzte auf dem aktuellen Stand der Erkenntnisse sind, ist für Patient*innen ein entscheidendes Qualitätsmerkmal und bestimmt den Ausgang der Therapie maßgeblich. Derzeit ist die Weiterbildung in den DRGs enthalten, dies reicht jedoch schon jetzt nicht aus, damit die Umsetzung in der Praxis ohne Probleme stattfindet. Wenn sich der Anteil der DRGs jedoch auf 40 Prozent reduziert, wird die Situation noch schwieriger. Insoweit braucht es nun tatsächlich eine gezielte Förderung der Weiterbildung, damit tatsächlich eine qualitativ gute Behandlung stattfindet.
Sehr zu begrüßen ist hingegen das Mitberatungsrecht der Patientenvertretung an dem vorgesehenen Leistungsgruppenausschuss.
Zu den Themen im Einzelnen:
1. Transformationsfonds, Vorhaltepauschalen und Zusatzentgelte
Wie bereits dargestellt sieht die BAG SELBSTHILFE die hohe Belastung der (GKV-) Beitragszahler kritisch. Zentrales Element der Krankenhausreform wird der zukünftige Transformationsfonds sein, der hälftig von Bund (aus dem Gesundheitsfonds) und den Ländern mit jeweils 5 Milliarden Euro jährlich bestückt werden soll. Insgesamt soll der Anteil der Fallpauschalen an der Krankenhausfinanzierung gesenkt werden, stattdessen soll es nunmehr fallspezifische Vorhaltepauschalen geben, die nach den Vorjahresfallzahlen, Bundesländern und Leistungsgruppen differenziert werden; in Zukunft ist ein Anteil von 60 Prozent Vorhaltepauschalen an der Gesamtvergütung angestrebt. Diese Vorhaltepauschalen werden nur dann gezahlt, wenn die Qualitätskriterien eingehalten wurden.
Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ist insbesondere die Entnahme des Anteils des Bundes aus dem Gesundheitsfonds sehr kritisch zu sehen, da so den GKV-Beitragszahler*innen steuerlich zu tragende Strukturaufgaben den Beitragszahlern auferlegt werden sollen statt Steuermittel hierfür zu verwenden; warum die PKV an derartigen Mitteln nicht beteiligt werden soll, bleibt ebenfalls unklar. Insoweit fordert sie, dass die entsprechenden Kosten des Anteils des Bundes aus Steuermitteln finanziert werden.
Positiver sieht die BAG SELBSTHILFE die Zusatzentgelte, die für Abteilungen und Organisationen gezahlt werden, die bisher wegen des hohen Vorhalteanteils – teilweise auch von Strukturaufgaben - unterfinanziert waren. Nach dem Entwurf bekommen Universitätskliniken für die ihnen zugewiesenen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben sowie das Vorhalten von Geräten und Personal zusätzlich darüber hinaus entsprechende Mittel; die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe, Stroke Units, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin sollen extra vergütet werden. Auch nach den Erfahrungen der BAG SELBSTHILFE sind etwa die pädiatrischen Abteilungen chronisch unterfinanziert, so dass teilweise Fördervereine von Eltern hier einspringen müssen.
Insgesamt sollte aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE die Versorgung im Krankenhaus stärker im Zusammenspiel mit der ambulanten Versorgung gedacht werden – was ja auch mit den begrüßenswerten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen angedacht ist. So findet beispielsweise die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen hauptsächlich ambulant statt. Gelegentlich sind Aufenthalte im Krankenhaus zusätzlich notwendig. Oft wird die Versorgung durch eine Hochschulambulanz sichergestellt, nicht selten aber auch an nicht-universitären Einrichtungen. Die Zuschläge nach § 136c SGB V und die Vorhaltepauschalen sind alle nur halb so wirksam, wenn sie nicht auch für die ambulante Versorgung eingesetzt werden können. Der Umsatz und die Zukunft eines Zentrums dürfen nicht davon abhängen, ob Patientinnen und Patienten ambulant oder stationär behandelt werden. Eine Krankenhausreform bietet insoweit aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE auch die Chance, eine sektorenübergreifende Versorgung zu fördern.
Wie bereits eingangs dargestellt, fehlt es zudem an einer ausreichenden Refinanzierung der Weiterbildung der Ärzte, die als entscheidendes Qualitätsmerkmal explizit gefördert werden sollte; auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
2. Leistungsgruppen/ Leistungsgruppenausschuss/ Qualitätsanforderungen
Wie bereits vorstehend dargestellt, hält die BAG SELBSTHILFE das Grundkonzept einer Verknüpfung der Krankenhausplanung mit Qualitätsanforderungen, die dann wiederum für die Vorhaltepauschalen relevant sind, für sinnvoll. Gleichzeitig sieht sie dadurch aber auch die Gefahr, dass bestehende gute Versorgungsstrukturen zerstört werden könnten, da das System noch zu wenig ausdifferenziert ist (siehe etwa oben zur Früh-Reha und den Fachkrankenhäusern insgesamt). Insoweit sieht sie in der Möglichkeit, die Qualitätsanforderungen über Kooperationen zu erfüllen, einen guten ersten Schritt zur Flexibilisierung der Anforderungen. Gleichzeitig sollten jedoch auch noch weitere Ausnahmemöglichkeiten, wie etwa beim klassischen Problembereich Personalanforderungen, vorgesehen werden.
Bei den Leistungsgruppen gibt es zudem Besonderheiten bei den seltenen Erkrankungen. Denn diese orientieren sich derzeit an den Strukturen der klassisch medizinischen Fächer. Da die Seltenen Erkrankungen zwar ca. 20% aller stationären Patienten eines Uniklinikums betreffen, aber eben alle Fachgebiete treffen können, und auch kein eigenes Gebiet in der Medizin darstellen, sind sie als Querschnittserkrankungen nicht abgebildet. Soweit bislang bekannt, sollen die Leistungsgruppen wohl über die Diagnosen nach ICD-10 definiert werden. Die Seltenen werden im ICD-10 aber nicht differenziert genug abgebildet und sind somit zu Abrechnungszwecken nicht aufwandsgerecht sichtbar. Damit lässt sich aktuell über Vorhaltekosten für die Versorgung von Seltenen Erkrankungen, die im neuen Katalog wohl auch als Sockelbetrag finanziert werden sollen, keine angemessene Abschätzung treffen. Es wird befürchtet, dass hierfür angesetzte Beträge dem Bedarf nicht gerecht werden.
Sowohl für die Berechnung von Vorhaltekosten als auch für die Qualitätssicherung müssen die Orphacodes fester Bestandteil der Kodierung und Auswertung im neuen Gesetz werden (bisher sind sie nicht vorgesehen).
Dann könnte man z.B. in den Leistungsgruppen eine Differenzierung (z.B. Leistungsgruppe 1.1: Allgemeine Innere Medizin Standardversorgung vs. hoher Anteil an Seltenen Erkrankungen, z.B. 20% der Fälle mit Orphacode) vornehmen. Sinnvoll wäre es, einen Use-Case zu erarbeiten, wie krankheitsspezifische Ambulanzen (nach NAMSE sog. B-Zentrum), in Zukunft finanziert werden sollen, um zu überprüfen, ob die geplante Krankenhausreform für Zentren für seltene Erkrankungen funktioniert.
Die BAG SELBSTHILFE begrüßt es sehr, dass die Patientenorganisationen in dem Ausschuss zur Weiterentwicklung der Leistungsgruppen vertreten ist. Aus ihrer Sicht ist die Kann-Regelung dahingehend zu verstehen, dass die Patientenorganisationen die Option haben, ob sie an den Beratungen teilnehmen. Soweit es nur eine Option des BMGs wäre, die Patientenorganisationen zu den Beratungen zuzulassen, wäre die Passage aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE anders zu formulieren gewesen. Sinnvoll wäre in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer entsprechenden Stabsstelle, die auch die Verbindung zu den Patientenvertretungen in den Ländern halten würde, um die dortige Versorgungssituation jeweils im Blick zu haben.
3. Fahrtkosten/ Entfernung zum nächsten Krankenhaus/ Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen/Entlassmanagement
Im Grundsatz hält die BAG SELBSTHILFE es für nachvollziehbar, dass qualitativ hochwertige Versorgung bei planbaren Leistungen mit gewissen Entfernungen verbunden ist; laut Entwurf sollen Stationen der Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie per Fahrzeug in höchstens 30 Minuten erreichbar sein. Für alle anderen Leistungsgruppen soll die Fahrzeit maximal 40 Minuten betragen.
Gleichzeitig trägt dies natürlich zu zusätzlichen Belastungen für Patient*innen und Angehörige bei, die höhere Fahrtkosten in Kauf nehmen müssen. Angestrebt ist mit der Reform eine stärkere Ambulantisierung, die zusätzlich auch noch den Nachteil für Patient*innen hat, dass die Regelungen zur Fahrtkostenerstattung schlechter als zur stationären Versorgung sind. Vor diesem Hintergrund hält es die BAG SELBSTHILFE für dringend erforderlich, dass die Regelungen zu den Fahrtkosten zur ambulanten und stationären Behandlung überarbeitet werden; im Bereich der stationären Behandlung betrifft dies insbesondere die tagesstationäre Behandlung. Denn da die Fahrtkostenregelungen im ambulanten und tagesstationären Bereich erheblich von denen des stationären Bereichs abweichen, werden die Patienten*innen ohne gesetzliche Änderungen der Regelung zusätzlich mit den Fahrtkosten belastet werden, während im System erhebliche Einschränkungen durch die Verlagerung entstehen. Dies kann so nicht sein; wer Ambulantisierung möchte und gleichzeitig verhindern will, dass Umgehungsstrategien durch Einweisung ins Krankenhaus zur Vermeidung von Fahrtkosten geschaffen werden, sollte daher auch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen anpassen. Ohnehin wird durch die Ambulantisierung erheblicher Aufwand auf die Familien zur Versorgung von unmittelbar Operierten (bei ambulanten Operationen) zukommen, der ja auch gleichzeitig zur Entlastung der Pflegekräfte im Krankenhaus beiträgt.
Hier sollte in den sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen zum einen eine Art nachlaufendes Entlassmanagement für den ambulanten Bereich geschaffen werden; denn aus der Praxis erreichen die BAG SELBSTHILFE immer wieder Meldungen, dass Thrombosespritzen einfach (ohne jede Anleitung) mitgegeben werden oder Opiate beigefügt werden, ohne dass den Patient*innen überhaupt gesagt wird, worum es sich handelt. Hier könnten die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen als Ansprechpartner für die Patient*innen fungieren, wenn wieder einmal derartige Hinweise bei der Entlassung der Patient*innen vergessen wurden – was auch im ambulanten Bereich zu erwarten ist.
Insgesamt begrüßt die BAG SELBSTHILFE die Konzeption der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen in § 115g im Grundsatz sehr, da mit ihrer Einführung grundsätzlich das Problem des oft schwierigen Übergangs zwischen den Sektorengrenzen ein Stück weit abgefangen werden kann und zudem Versorgungsengpässen in der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum begegnet werden kann. Die BAG SELBSTHILFE engagiert sich seit langem für ein besseres Schnittstellenmanagement. Vor diesem Hintergrund würde sie es für sinnvoll halten, dass auch die Patientenorganisationen nach § 140f an der Erarbeitung der Maßgaben für diese sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen mitberatend an den Vereinbarungen beteiligt wird (Absatz 3), zumal nach Nummer 4 explizit die Patientensicherheit als Kriterium für bestimmte Festlegungen genannt wird.
Die BAG SELBSTHILFE lehnt die Regelung nach Absatz 1 Nummer 3 ab, wonach unter gewissen Voraussetzungen auch Patientinnen und Patienten in sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen mit telemedizinischer Unterstützung versorgt werden können, die eigentlich eine Behandlung in einem Krankenhaus mit einer höheren Versorgungsstufe benötigen. Letztlich ist es nicht sinnvoll, zunächst die Qualität über bestimmte strukturelle Anforderungen zu erhöhen, damit sie für die entsprechend komplexen Behandlungen geeignet ist, um dann doch eine Behandlung in einem nicht geeigneten Krankenhaus zuzulassen. Die BAG SELBSTHILFE tritt ja für eine flexible Handhabung von Anforderungen etwa bei Fachkliniken ein, um bestehende Versorgungsstrukturen nicht zu zerstören. Allerdings sollten Patient*innen dann schon in entsprechend fachlich geeigneten Kliniken behandelt werden, was ja eigentlich auch eines der Ziele der Krankenhausreform ist. Sicher ausgeschlossen werden muss, dass die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen nicht Versorgungen übernehmen, die eigentlich in spezialisierte Zentren, z.B. onkologische Zentren gehören.
Die Option, dass zukünftige sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen auch Kurzzeit- (§42 SGBXI), Tages- und Nachtpflege (§41 SGBXI) anbieten, dient der Kapazitätserhöhungen und der Sicherung der Anschlussbehandlung. Der für die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen zugrundeliegende Versorgungsvertrag nach §72 SGBXI wird dann allerdings nicht mehr aus dem Topf der Krankenkasse finanziert, sondern aus der Pflegeversicherung und muss, sollten die Kosten den Pflegekostenanteil übersteigen, von den Versicherten selbst getragen werden (Eigenkostenbeteiligung). Dies sollte überdacht werden; zumindest muss sichergestellt werden, dass die Versicherten sich über die Kostenbeteiligung im Klaren sind, da sie ansonsten davon ausgehen, sich im Bereich des SGB V zu bewegen. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, woher das für dieses Versorgungsangebot erforderliche Fachpersonal herkommen soll.
Die BAG SELBSTHILFE bedauert es explizit, dass der im Referentenentwurf enthaltene § 115h SGB V gestrichen wurde. Danach sollten sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen Krankenbehandlung als medizinisch-pflegerische Versorgung erbringen, wenn für die Versicherten eine ambulante ärztliche Behandlung auf Grund ihrer individuellen Verfassung, der persönlichen Lebenssituation oder wegen bestehender Vor- oder Begleiterkrankungen nicht ausreichend ist, weil neben dem medizinischen Behandlungsanlass ein besonderer pflegerischer Bedarf besteht. Gerade bei älteren und multimorbiden Patienten besteht solch ein zusätzlicher medizinisch-pflegerischer Bedarf, der durch die ambulante Versorgung oft nicht abgedeckt wird. Die Streichung dürfte im Endeffekt dazu führen, dass sich deren Versorgung verteuert, da diese Lücke in der Praxis dann weiterhin häufig mit Krankenhauseinweisungen geschlossen wird.
Die BAG SELBSTHILFE begrüßt es, dass die Krankenhäuser nach § 116a nunmehr bereits im Wege der Ermächtigung für die ambulante Versorgung geöffnet werden können, wenn entsprechende Unterversorgung der Patient*innen droht. Um Versorgungsdefizite frühzeitig zu verhindern, erscheint diese Regelung aus Patientensicht sachgerecht.
4. Qualitätsanforderungen: Nachweise/Prüfungen und Verhältnis zur Qualitätssicherung des GBA
Die BAG SELBSTHILFE hält es für im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention und des im Koalitionsvertrag verankerten Aktionsplan für ein diverses, barrierefreies und inklusives Gesundheitswesen für notwendig, dass zu den Mindestqualitätsanforderungen auch die Barrierefreiheit des Krankenhauses gehört, welche dann von den Medizinischen Diensten vor Ort geprüft werden sollte. Vorläufig könnte zur Feststellung der Barrierefreiheit dazu die Maßgaben des Anhangs 2 der Qualitätsbericht-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses verwendet werden.
Die BAG SELBSTHILFE hält es zudem für wichtig, dass die bisher im GBA unter Patientenbeteiligung erarbeiteten Standards zur Qualitätssicherung auch bei den Strukturmerkmalen verwendet werden. Insoweit lehnt sie die vorgesehene weitgehende Streichung des § 136c ab. Es kann nicht gewollt sein, dass die mühsam im GBA entwickelten Qualitätsstandards erneut im Kontext der neuen Leistungsgruppen ausgearbeitet werden müssen. Die leidvollen Erfahrungen mit der Neuaufstellung der spezial-ärztlichen Versorgung (§ 116c neu SGB V) sollten Warnung genug sein, dass schon Erarbeitetes nicht zur Disposition gestellt werden sollte. Gerade bei dem Mangel an Ressourcen, sei es Personal oder Finanzen, sollten schon erarbeitete Standards weiter genutzt und darauf aufgebaut werden.
Insgesamt unterstützt die Patientenvertretung auch die Positionierung der GKV und der DKG zu den Plan-QI: Zwar konnte hier der gesetzliche Auftrag einer trennscharfen Herausnahme der Krankenhäuser mit defizitärer Qualität aus dem Krankenhausplan u.a. wegen der Heterogenität des Leistungsspektrums der Abteilungen nicht umgesetzt werden; trotzdem kann das Verfahren wichtige Leistungserbringerinformationen für die Landesbehörden zur Umsetzung der Krankenhausplanung liefern. Eine vollständige Streichung der Regelungen in §136c SGB V zu den planungsrelevanten Indikatoren erscheint deswegen nicht sachgerecht, vielmehr sollte eine entsprechende gesetzliche Anpassung erfolgen. So heißt es in dem Antrag zur Begründung: „Es ist weiterhin notwendig und sinnvoll, dass einrichtungsbezogen und mit fachlicher Bewertung versehene Auswertungsergebnisse zu Qualitätsindikatoren zur Prozess- und Ergebnisqualität den Planungsbehörden als Grundlage für qualitätsorientierte Entscheidungen der Krankenhausplanung zur Verfügung gestellt werden (evidence-informed policy-making). Hierfür sollten die Indikatoren künftig auch an den neuen Leistungsgruppen ausgerichtet werden und können damit eine wertvolle Information für die Planungsbehörden der Länder sein, um einen Überblick über die Qualität der Versorgung in den Kliniken des Bundeslandes zu haben oder um bei Bedarf auch Auswahlentscheidungen zu unterstützen. Dazu müssen allerdings einige bisher praktisch nicht umsetzbare Regelungen entsprechend angepasst werden. Beispielsweise sollte die verpflichtende Regelung, dass diese Indikatoren nach § 6 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes Bestandteil des Krankenhausplans werden müssen und dass sie „in erheblichem Maß unzureichende Qualität“ messen können müssen, gestrichen werden, nicht jedoch die Regelungen insgesamt. Mit einer kompletten Streichung der Vorschrift gingen relevante Qualitätsinformationen für die Planungsbehörden der Länder verloren, die ihnen bisher vom G-BA zur weiteren Verwendung zu Verfügung gestellt werden.
§ 136c Absatz 1 SGB V sollte daher wie folgt gefasst werden:
„Der Gemeinsame Bundesausschuss übermittelt den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden regelmäßig einrichtungsbezogen und mit fachlicher Bewertung versehene Auswertungsergebnisse der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung nach § 136 Absatz 1
Satz 1 Nummer 1. Die Auswertungsergebnisse sollen sich dabei auch auf die Leistungsgruppen nach § 135e oder auf einzelne Leistungen einer Leistungsgruppe beziehen.
Absatz 2 wird gestrichen. Absätze 3 bis 6 werden zu Absätzen 2 bis 5.
§ 8 Absätze 1a, b und c) im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) werden gestrichen.“
5. Transparenzverzeichnis
Die BAG SELBSTHILFE begrüßt die vorgesehene Ausweitung der Informationen im Transparenzverzeichnis und die Maßgaben, dass die Information barrierefrei zu erfolgen hat. Sie hält es aber für sinnvoll, dass die Informationen auch die Ausnahmen von Qualitätsanforderungen enthalten, also die Tatsache, dass die Klinik bestimmte Qualitätskriterien wie Mindestvorhaltezahlen nicht erfüllt.
Düsseldorf/Berlin, 23. September 2024