- Gesetzliche Grundlagen der MZEB:
Die gesetzlichen Grundlagen für die MZEB wurden mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz im Jahr 2015 geschaffen. Es wurde diesbezüglich § 119 c ins SGB V - in Analogie zu den Sozialpädiatrischen Zentren (§ 119 SGB V) für Kinder und Jugendliche – aufgenommen, für ergänzende nichtärztliche Leistungen außerdem § 43b SGB V und der § 120 SGB V ergänzt (die Vergütung erfolgt unmittelbar durch die Krankenkassen gem. § 120 III SGB V und nicht aus dem Budget der kassenärztlichen Vereinigungen).
Die MZEB sind ambulante Angebote, die mit einem multiprofessionellen Team unter ständiger ärztlicher Leitung Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung behandeln. Die Beeinträchtigungen der Patienten eines MZEB können von Kindheit an bestehen (z.B. Trisomie 21) oder erst im Erwachsenalter erworben sein (z.B. erworbener Hirnschaden nach einem Verkehrsunfall). Die Patienten bedürfen der Überweisung ihres behandelnden Arztes.
Die MZEB sollen somit als spezialisiertes Element das ambulante Regelversorgungssystem ergänzen sowie die gesundheitsbezogenen Versorgungslücken für die Zielgruppe schließen helfen. Gemäß § 119 c Abs. 1 SGB V ist die Ermächtigung für ein MZEB zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Die MZEB sollen mit dem Regelversorgungssystem und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammenarbeiten.
- Ausgestaltung der MZEB-Landschaft:
Im Koalitionsvertrag der jetzigen Ampelregierung wird unter anderem angekündigt: „Die Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen sowie die Sozialpädiatrischen Zentren bauen wir in allen Bundesländern aus (Koalitionsvertrag 2021, S.85).“
Die Koalitionsvereinbarung enthält somit das Ziel, die Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen als wichtiges Element der Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen zu stärken.
Es besteht nach Ansicht der BAG SELBSTHILFE jedoch dringender Handlungsbedarf, denn der Ausbau der MZEB-Landschaft verläuft zögerlich und ein entschlossenes politisches Handeln der jetzigen Bundesregierung lässt weiterhin auf sich warten. Vielmehr zeigt der Blick auf die derzeitige MZEB-Landschaft eine auffällige regionale Ungleichverteilung, d. h. es gibt Bundesländer, in denen noch kein einziges MZEB etabliert wurde, während es in einigen Bundesländern bereits zwischen 1 und 12 MZEB gibt. Von dem gesetzlichen Auftrag einer gleichmäßigen Bedarfsdeckung seit 2015 kann mithin nicht die Rede sein.
In diesem Kontext ist nicht außer Acht zu lassen, dass insbesondere ungeklärte Rechtsfragen sowohl das Zulassungsverfahren als auch die Vergütungsverhandlungen erheblich erschweren. Insbesondere die Fragen nach einem bestehenden Behandlungsauftrag der MZEB sowie nach dem leistungsberechtigten Personenkreis sind nach wie vor umstritten. Hinzu kommt, dass die Gründung eines MZEB, insbesondere für kleine Träger, ohne Klinik im Hintergrund, sich schwierig gestaltet. So müssen sie nach der Zulassung ohne finanzielle Unterstützung bereits Personal, Räume, medizinische Geräte und Kooperationsbereitschaften nachweisen. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können sie mit den Krankenkassen über die Vergütung verhandeln.
Schließlich widerspricht der schleppende Ausbau der MZEB-Landschaft in Deutschland auch eindeutig den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, genauer Art. 25 UN-BRK, welcher verlangt, dass Menschen mit Behinderung diejenigen Dienstleistungen erhalten müssen, die sie speziell wegen ihrer Behinderung benötigen.
III. Exkurs: (Teilnehmer dieser Veranstaltung war u.a. Daniel Koller/BAG S)
Am 05.05.2023 fand an der Hochschule Fulda eine Abschlussveranstaltung des Beta- Projektes zum Abbau der Barrieren bei der Etablierung von und Versorgung in Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit Behinderung sowie ein Austauschforum statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung in Fulda kamen aus der gesamten Bundesrepublik Leitungspersonen von MZEB sowie Vertreterinnen/ Vertreter der BAG MZEB, der kassenärztlichen Vereinigungen, der Selbsthilfe, der Länder sowie der Fachverbände für Menschen mit Behinderung sowie Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Bundes und der Länder zusammen.
Das von den Teilnehmern gezogene Fazit ist, dass bundesweit noch zahlreiche Barrieren in der medizinischen Versorgung von Menschen mit geistiger und schwerer Mehrfachbehinderung bestehen, z.B. durch nicht barrierefreie Praxisräume, Kommunikationsschwierigkeiten mit medizinischem Fachpersonal, fehlende zeitliche Ressourcen für die Versorgung oder Unerfahrenheit in der Behandlung dieser Patientengruppe im Rahmen der Regelversorgung.
a). Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse des Beta-Projekts:
- Es sollten sowohl spezialisierte als auch allgemein ausgerichtete MZEB (ohne Schwerpunktsetzung) etabliert werden;
- MZEBs sollten auch behandeln und über eine uneingeschränkte Überweisungs- und Verordnungsbefugnis verfügen dürfen;
-Wünschenswert wäre, dass auch aufsuchende Leistungen durch die Leistungserbringenden des MZEB erbracht werden könnten, um den Zugang zur medizinischen Versorgung für Patienten zu verbessern; dafür bedarf es nicht nur der vertraglichen Vereinbarung über aufsuchende Leistungen durch die Zulassungsausschüsse, sondern auch einer angemessenen finanziellen Vergütung der Leistungen und ausreichenden personellen Ressourcen im MZEB;
-MZEB könnten eine zentrale Rolle bei der Forschung zur Gesundheits(versorgung) von Menschen mit Behinderung einnehmen;
-eine ausreichende, leistungsfähige diagnostisch-technische Ausstattung in den MZEB ist zu empfehlen.
b). Auszugsweise Darstellung von Meinungen der Leitungspersonen von MZEB anlässlich dieser Veranstaltung:
- MZEB-Leitungspersonen nehmen die Etablierung von MZEB bislang als nicht flächendeckend wahr;
- MZEB-Leitungspersonen kritisieren, dass für ihr MZEB kein Behandlungsauftrag bestehe und ihre Aufgabe lediglich in einer Koordinierungs- oder Lotsenfunktion bestehe;
- MZEB-Leitungspersonen nehmen wahr, dass sich der Zeitraum zwischen Antragstellung und dem Zeitpunkt der Ermächtigung als „hinauszögernd“ und „langwierig“ darstelle. Zudem verlangsame die Dauer der vorgeschalteten Bedarfsanalyse den Ermächtigungsprozess; der Zeitraum der Ermächtigung und die erneute Antragstellung auf Ermächtigung können somit Planungs- und Verfahrensunsicherheit zur Folge haben, da in einigen Fällen der Weg über gerichtliche Instanzen beschritten werden müsse;
- Ferner stelle sich für viele MZEB-Leitungspersonen der Beantragungsprozess selbst als intransparent dar, die Vielzahl an Anforderungen und der Prozessablauf seien nicht eindeutig;
- die ausgehandelten Fallpauschalen erscheinen vielen MZEB-Leitungspersonen als nicht ausreichend, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Vielmehr nehmen diese sehr oft wahr, dass die Höhe der Vergütung vom jeweiligen Verhandlungsgeschick des MZEB abhängig zu sein scheint.
- Forderungen des 127. Deutschen Ärztetages 2023:
Laut Beschlussprotokoll (Stand: 31.05.2023) fordert auch der 127. Deutsche Ärztetag (16.05.- 19.05.2023 in Essen) unter anderem, die medizinische Versorgungssituation von Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen mit komplexen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen oder schweren Mehrfachbehinderungen zu verbessern und hat dazu folgende Forderungen formuliert:
Die gesetzlichen Krankenkassen werden nachdrücklich aufgefordert,
-den Auf- und Ausbau der Versorgungslandschaft mit Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) nach § 119c SGB V und mit Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) nach § 119 SGB V entschieden zu fördern, alle Zugangshindernisse zu beseitigen, am MZEB und SPZ langfristig und auskömmlich zu finanzieren, um bedarfsgerecht diagnostizieren, behandeln und mit den Partnern im Regelversorgungssystem kommunizieren zu können;
-die MZEB nach § 119c SGB V an der zielgruppenspezifischen ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung zu beteiligen und
-die Versorgungsprozesse bezüglich der Ausgestaltung mit Hilfsmitteln, insbesondere für Kinder und Jugendliche, dringend zu beschleunigen und ressourcenschonend zu vereinfachen.
Als Begründung wird angeführt, dass
-Menschen mit Behinderung aufgrund ihrer behinderungsassoziierten Krankheitsbilder sowie Folgeerkrankungen einen besonderen medizinischen Versorgungsbedarf haben. Seit 2015 ermöglicht § 119c SGB V die Errichtung von ambulant tätigen, multiprofessionell ausgerichteten Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB);
-die mittlerweile bundesweit rund 50 tätigen MZEB sind in unterschiedlicher Weise an der Erbringung bedarfsgerechter Versorgungsleistungen gehindert, u.a. durch sehr eng gefasste Zulassungsvoraussetzungen, Begrenzung des Leistungsspektrums auf Diagnostik und “Lotsenfunktionen“, nicht aufwandsdeckende Quartalspauschalen sowie Fallzahlbegrenzungen;
-Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung weisen eine überdurchschnittliche Belastung mit psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten auf. Ihr Bedarf an psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung wird bei weitem nicht gedeckt, weder quantitativ noch qualitativ;
-derzeit die Hilfsmittelversorgung von Betroffenen, Angehörigen und Assistenzpersonen als oft mühseliger, übermäßig langer bzw. stark verzögerter und streitbehafteter Prozess erlebt wird, da Verordnungen seitens der Krankenkassen erst nach umfangreichen Nachfragen verzögert bearbeitet oder gleich abgelehnt werden, sodass die Betroffenen häufig genötigt sind, Widerspruch oder später den Rechtsweg einlegen zu müssen. Sie werden dadurch oft zusätzlich belastet, zumal wenn verschiedene Hilfsmittel dringend benötigt werden. Vor allem Kinder und Jugendliche müssen in dieser Situation Beeinträchtigungen der Teilhabe, der Selbstständigkeit sowie vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer Entwicklung hinnehmen.
(siehe:www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Aerztetag/127.DAET/2023-05-31_Beschlussprotokoll.pdf Dieses Dokument in neuem Tab öffnen und vorlesen)
- Handlungsbedarfe/Notwendigkeit der Anpassung gesetzlicher Regelungen:
Aufgrund dieser dargestellten Defizite besteht somit dringender Handlungsbedarf und insoweit fordert auch die BAG SELBSTHILFE eine zeitnahe Verbesserung der medizinischen Versorgungssituation von Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen mit komplexen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen oder schweren Mehrfachbehinderungen:
- Die MZEB müssen zügig flächendeckend auf- und ausgebaut werden, denn sie stellen eine notwendige Ergänzung der medizinischen Regelversorgung dar. Nicht das Vorliegen einer Behinderung als solche begründet die Inanspruchnahme eines MZEB, sondern der Umstand, dass andere Versorgungsangebote im Hinblick auf die individuellen Fragestellungen medizinischer, psychosozialer und sozialmedizinischer Art bzw. ein interdisziplinäres Angebot nicht bedarfsgerecht zur Verfügung stehen;
- Soweit derzeit die Versorgung durch die MZEB nicht unter die vertragsärztliche Versorgung im Sinne des § 99 SGB V (Bedarfsplanung) fällt, ist diese Norm entsprechend durch den Gesetzgeber zu erweitern;
- Soweit die Versorgung durch MZEB derzeit nicht unter die vertragsärztliche Versorgung im Sinne des § 105 SGB V (Bildung eines Strukturfonds zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung) fällt, deren Sicherstellung gem. § 105 II SGB V mit Mitteln aus dem Strukturfonds gefördert werden soll, ist § 105 SGB V durch den Gesetzgeber entsprechend zu erweitern;
- Die gesetzlichen Regelungen des § 43a SGB V zu nichtärztlichen sozialpädiatrischen Leistungen, insbesondere psychologischen, heilpädagogischen und psychosozialen Leistungen, sind dahingehend zu ergänzen, dass sie erstens die frühzeitige Erkennung von Erkrankungen und Aufstellung eines Behandlungsplanes ermöglichen und zweitens ihre Erbringung unter ärztlicher Verantwortung in der ambulanten psychiatrischen Behandlung und in SPZ ermöglichen (so auch der 127. Deutsche Ärztetag);
- Die Reduktion eines MZEB auf eine reine Lotsenfunktion widerspricht sowohl dem Wortlaut des Gesetzes („Behandlungszentren“) als auch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (trotz eindeutiger gesetzlicher Formulierung wird dies immer wieder von den Krankenkassen in den Vergütungsverhandlungen bestritten und erschwert massiv eine Einigung auf auskömmliche Vergütungspauschalen). Der Gesetzgeber sollte somit klarstellen, dass die MZEB neben ihrer Funktion als Lotse auch einen unmissverständlichen Behandlungsauftrag haben;
- Zwecks Vermeidung langwieriger, mitunter Jahre dauernden Kämpfen um medizinisch notwendige Hilfsmittel muss der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen gemäß § 33 Vb SGB V für Hilfsmittel, die durch SPZ und MZEB verordnet werden, entfallen. In den Zentren arbeitet das medizinische Personal eng mit den Betroffenen zusammen und ist daher wesentlich näher an den entsprechenden Bedarfen der Betroffenen dran, als die Mitarbeiter:innen der Krankenkassen oder des Medizinischen Dienstes (MD). Wenn Ärzte bzw. Ärztinnen eines SPZ oder eines MZEB ein Hilfsmittel verordnen, dann wissen sie, was sie tun - die medizinische Erforderlichkeit ist gegeben. Nicht nur Kinder und Jugendliche, welche sich in regelmäßiger sozialpädiatrischer Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) i.S. des § 119 SGB V befinden, sind existenziell auf Hilfsmittel angewiesen, sondern auch Patienten, die von einer Behandlung im MZEB profitieren;
- MZEB sollten auch für Jugendliche noch vor dem 18. Lebensjahr offenstehen, wenn es im konkreten Einzelfall unter Aspekten der Transition notwendig ist;
- Zulassungsausschüsse dürfen Anträge auf Ermächtigung eines MZEB nur noch ablehnen, wenn Sie nachweisen können, dass die Versorgung in der Region tatsächlich ausreichend ist. Unabhängig davon sind MZEB im Antragsverfahren aktiv zu unterstützen;
- Für neue MZEB müssen zudem die Zulassungsverfahren und Vergütungsverhandlungen zügig durchgeführt sowie Restriktionen in den vorhandenen MZEB beseitigt werden, insbesondere solche, welche der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages aus § 119c SGB V widersprechen;
- In künftigen Zulassungsbescheiden und Leistungsvereinbarungen müssen kontraproduktive Restriktionen von vornherein vermieden werden. In bestehenden Zulassungsbescheiden und Leistungsvereinbarungen müssen sie spätestens bei anstehenden Verlängerungen entfallen;
- Notwendig sind aufwandsgerechte Vergütungen. Die Vergütungspauschalen müssen so berechnet sein, dass sie den überdurchschnittlichen Zeitaufwand und Ressourceneinsatz decken sowie Hausbesuche im bedarfsgerechten Umfange auch möglich sind. Auch müssen nichtärztliche Leistungen (z.B. qualifizierte Autismus-Diagnostik) in die Pauschalen eingerechnet oder gesondert abrechnungsfähig gemacht werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass zugestandene Vergütungen sehr oft den überdurchschnittlichen Aufwand, welcher aus den Besonderheiten der Patientengruppe sowie der interdisziplinären Arbeitsweise resultiert, nicht decken, mit der Konsequenz der Beschränkung des Leistungsangebots;
- Der Personenkreis, der in einem MZEB behandelt werden kann, muss so definiert werden, dass die bisherige Auslegungspraxis aufhört und Menschen, die von einer Behandlung profitieren könnten, nicht mehr ausgeschlossen werden dürfen. Nach Maßgabe der Krankenkassen (auf Grundlage des im 06/2016 entwickelten Eckpunktepapiers MZEB der Krankenkassen) stehen in diesem Kontext sehr oft einengende Diagnoselisten, bestimmte Grade der Behinderung oder Merkzeichen, sowie Begrenzungen der Fallzahlen im Vordergrund.(Zugangsvoraussetzungen zum MZEB gemäß dieses Eckpunktepapiers sind: Volljährigkeit, Überweisung durch einen Haus- oder Facharzt, Vorhandensein eines GdB von >70 mit vorliegendem Merkzeichen, eine Diagnose aus folgenden Diagnosen (ICD-10): F07, F70.1, F71, F72, F73, F78, F820, F84, G80, Q00-07, R90-99, R47, spezifischer Handlungs- und Behandlungsbedarf). Diese vorgenannten Kriterien als Zugangsvoraussetzung sind aufzuheben, da sie eine schwerwiegende Verletzung der UN-BRK darstellen. So entbehrt auch eine Verhaltensstörung (ICD- 10: F7x1) als Eingangskriterium bereits jeder fachlichen Logik. Nicht alle Patienten, die in einem MZEB vorgestellt werden müssen, haben eine Verhaltensstörung;
- Um den Versorgungsauftrag gemäß der §§ 43b, 119c SGB V erfüllen zu können, ist auch die Finanzierung personeller Ressourcen für die aktive Mitwirkung der MZEB an der Aus-, Fort- und Weiterbildung des ärztlichen, psychotherapeutischen sowie des nichtärztlichen Personals notwendig;
- Eine einseitige Festlegung der Krankenkassen, dass Patienten mit Behinderungen, die Wohn- oder Assistenzleistungen des Trägers nach SGB IX erhalten, das MZEB nicht nutzen dürfen, stellt ebenfalls eine schwerwiegende Verletzung der UN BRK dar. Keinesfalls darf diese Festlegung in neue Verträge aufgenommen werden, aus bestehenden Verträgen muss sie entfernt werden;
- Die seitens des Gesetzgebers vorgeschriebene Überweisung durch den Hausarzt oder andere ambulant behandelnde Ärzte ist zwar sinnvoll, sie darf jedoch keine Hürde darstellen, weil etwa die behandelnden Ärzte das Angebot der MZEB nicht kennen oder den Aufwand scheuen bzw. auch den Verlust des Patienten fürchten;
- Es muss die – gesetzlich geregelte - Möglichkeit bestehen, auf Überweisung des erstbehandelnden MZEB ein weiteres MZEB zu beanspruchen, wenn dies aufgrund der fachlichen Schwerpunktsetzung medizinisch indiziert ist;
- Um die Zusammenarbeit der Behandler:innen in der Regelversorgung mit den MZEBs zu fördern und damit die Vernetzung zu unterstützen, sollte eine bundesweite Übersicht über Ansprechpersonen in MZEB für Haus- und Fachärzt:innen zur Verfügung gestellt und mithin durch den Gesetzgeber geregelt werden. Auch sollte eine Liste über bestehende Netzwerke von Hausärzt:innen, SPZ und Einrichtungen der Eingliederungshilfe zur Verfügung gestellt werden.
VI. Fazit:
Der Handlungsbedarf bei der Etablierung von sowie der Versorgung in MZEB ist groß, es besteht ein solcher sowohl auf der gesundheitspolitischen als auch auf der Selbstverwaltungsebene.
Insbesondere muss den Krankenkassen sowie den Zulassungsausschüssen mit Nachdruck verdeutlicht werden, dass auch sie eine hohe Verantwortung gegenüber allen Versicherten einschließlich der Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung tragen. In einem inklusiven Gesundheitswesen müssen alle Bürgerinnen und Bürger die Angebote vorfinden, welche sie speziell wegen ihrer Krankheit oder Behinderung benötigen. Dies schließt auch spezialisierte Angebote für Menschen mit Behinderung ein.
Zudem sollten die Krankenkassen das im Juni 2016 verfasste Eckpunktepapier zurückziehen, da viele der dort aufgestellten Positionen offensichtlich im Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen des SGB V stehen.
Auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sollte mit Blick auf den angekündigten Aktionsplan für ein inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen prüfen, wie die Landesgesundheitsministerien für die Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflichten gegenüber den Gremien der Selbstverwaltung gestärkt werden können.
In diesem Kontext muss das BMG auch verlässliche Daten zu den MZEB erheben, um so den bedarfsgerechten Ausbau und die Weiterentwicklung dieser Medizinischen Behandlungszentren zu begleiten. Auch muss den beteiligten Akteuren eine verlässliche Datengrundlage bereitgestellt werden.
Schließlich sollten sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene Förderprogramme geprüft werden, welche vorzugsweise die Startphase von MZEB unterstützen. Gründungswillige Träger müssen bei den Erstinvestitionskosten unterstützt werden. Hierfür sind finanzielle Hilfen, z.B. durch die Auflage von KfW-Förder-Programmen seitens der Bundesregierung oder durch die Zahlung von Zuschüssen - beispielsweise in Höhe eines noch gesetzlich festzulegenden Betrages - aus dem Strukturfonds zur Verfügung zu stellen.
Bettina Stevener, Düsseldorf/Berlin, den 11.09.2023