Die BAG SELBSTHILFE teilt insoweit die im Gesetzentwurf niedergelegte Auffassung, dass der Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten in einem lernenden Gesundheitswesen Schlüsselfaktoren für eine qualitativ hochwertige Versorgung sind.
Ebenso teilt die BAG SELBSTHILFE auch die Position der Bundesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf, dass bislang in Deutschland zwar an vielen Stellen im Gesundheitssystem Daten erzeugt werden, dass aber für eine mehrwertstiftende Nutzung nur die wenigsten Daten zugänglich sind und dass es an einer Validierung der Daten fehlt.
Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE geht der vorliegende Gesetzentwurf diese Problematik aber leider nicht beherzt und nicht konsequent genug an. Zwar sollen in einem ersten Schritt Verknüpfungen von Daten des Forschungsdatenzentrums Gesundheit mit den klinischen Krebsregistern ermöglicht werden. Dies ist aber in einem sequenzierten Gesundheitswesen mit einer Vielzahl nicht kompatibler Datensilos und nicht standardisierter Datensätze nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Stattdessen ist eine grundsätzliche Neuordnung der Datengewinnungsstrukturen erforderlich, die möglichst alle Akteure im Gesundheitswesen erfassen sollte.
Vor diesem Hintergrund muss auch die Fokussierung auf die Nutzung von Abrechnungsdaten mit einem Vorbehalt versehen werden, da hier eine Prüfung der Validi-tät der Daten besondere Probleme aufwirft.
Mit allem Nachdruck wendet sich die BAG SELBSTHILFE gegen die Regelung des § 25b SGB V, mit der nunmehr den gesetzlichen Krankenkassen die Auswertung der Routinedaten ihrer Versicherten und die entsprechende Kontaktaufnahme für bestimmte Zwecke ermöglicht werden soll. Zwar soll dies zum Schutz der PatientInnen erfolgen; die Erkenntnisse aus der Vergangenheit zum Krankengeldmanagement lassen jedoch leider befürchten, dass Krankenkassen diese Möglichkeit nutzen werden, um PatientInnen mit teuren und gleichzeitig risikoreichen Therapien – möglicherweise auch telefonisch - unter Druck zu setzen. In der Gesetzesbegründung ist zwar niedergelegt, dass die telefonische Kontaktaufnahme die Ausnahme bleiben soll; eine solche Passage in der Begründung reicht jedoch nicht aus, um entsprechende Strategien zu verhindern. Hinzu kommt, dass die Eignung der Abrechnungs-/ Routinedaten für die vorgesehenen Zwecke fraglich ist. Diese gehen nicht nur verzögert in den darauffolgenden Quartalen bei den Krankenkassen ein (wohl auch nach der vorgesehenen Verkürzung der Lieferfristen), sondern sind oft unvollständig, da sie die medizinischen Hintergründe, etwa einer Arzneimitteltherapie nicht enthalten; in manchen Fällen finden sich dort auch nach Erfahrungen unserer Mitglieder Daten, die nicht unbedingt zutreffend sind. Der verzögerte Eingang der Daten dürfte insoweit zur Folge haben, dass in vielen Fällen Verwirrung oder Misstrauen gestiftet wird, etwa wenn eine Vorsorgeuntersuchung oder Impfung schon durch die angesprochenen PatientInnen erledigt wurde, aber noch nicht in den Routinedaten enthalten ist, Maßnahmen gegen Suchterkrankungen vorgeschlagen werden, die seit Jahren nicht mehr bestehen (etwa Nikotinabhängigkeit), aber dennoch weiter dokumentiert werden oder wenn aus patientenindividuellen oder medizinischen Gründen eine risikoreiche(re) Arzneimitteltherapie durchgeführt wurde, die nach ausreichender Aufklärung zwischen Arzt und Patient vereinbart wurde. Insgesamt befürchtet die BAG SELBSTHILFE sogar, dass derartige Kontaktaufnahmen die Nutzung der ePA verringern und die Zahl der Widersprüche erhöhen könnte, da viele Menschen nicht mehr der Aussage glauben werden, dass die Krankenkassen keinen Einblick in die Gesundheitsdaten bekommen; die wenigsten Bürger kennen den Unterschied zwischen echten Gesundheitsdaten und den Abrechnungs- und Routinedaten der Krankenkassen. Insoweit hält die BAG SELBSTHILFE es erforderlich, diese Regelung zu streichen.
Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE ist es dabei sicherlich begrüßenswert, dass der Gesetzentwurf vorsieht, die Aufsicht über den Datenschutz zu harmonisieren. Die Diskussion zum Datenschutz darf aber den Blick nicht dafür verstellen, dass das Kernproblem der Datennutzung in der unzureichenden Verknüpfung und der unzureichenden Validität der Daten liegt. So tritt die BAG SELBSTHILFE durchaus dafür ein, dass es künftig eine allgemeine Patientenidentifikationsnummer geben muss, da dies ebenfalls eine notwendige Grundlage für eine systemweite patientenbezogene Datennutzung ist. Die neu in § 4 Abs. 9 Nr. 1 GDNG vorgesehen anlassbezogene Forschungskennziffer kann nur als ein erster Schritt zu einer Patientenidentifikationsnummer angesehen werden.
Sehr positiv wird es gesehen, dass im Entwurf an verschiedenen Stellen Patienten-beteiligung vorgesehen ist, etwa beim Arbeitskreis zur Gesundheitsdatennutzung bei der Datenzugangs- und Koordinierungsstelle. Was jedoch die vorgesehene Er-weiterung des Kreises der Nutzungsberechtigten für die Daten des Forschungsdatenzentrums angeht, so sieht die BAG SELBSTHILFE diesen wegen dem Risiko einer Entpseuonymisierung der Daten insbesondere bei seltenen Erkankungen kritisch. Soweit daran jedoch festgehalten werden sollte, hält die BAG SELBSTHILFE ein Mitentscheidungsrecht der Patientenvertretung über die Gemeinwohlorientierung der entsprechenden Anträge für notwendig.
Schließlich ist zu begrüßen, dass der vorliegende Gesetzentwurf bereits Vorbereitungen zur Anschlussfähigkeit des nationalen Datenraums an den europäischen Datenraum treffen soll. Leider reflektiert der Entwurf hierzu die noch bestehenden Schwächen des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Ausgestaltung des europäischen Datenraums noch viel zu wenig. In § 303 e Abs. 1 SGB V n.F. hebt der Entwurf beispielsweise allein auf die Zugänglichmachung von Sekundärdaten an Nutzungsberechtigte ab, ohne die Rolle der Patientinnen und Patienten als Inhaber der Daten zu reflektieren. Ferner werden auch im Hinblick auf den europäischen Datenraum die Thematik der Kompatibilität, Standardisierung, Verknüpfbarkeit und Validität der Datensätze im Entwurf nicht thematisiert.
Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE sind noch intensive fachliche Diskussionen erforderlich, damit ein gut strukturierter europäischer Datenraum auf der Basis eines gut strukturierten deutschen Datenraums die Grundlage für eine datengestützte Verbesserung der Versorgung und für eine optimal datengestützte agierende Forschung bieten kann.
Im Einzelnen ist zum vorliegenden Gesetzentwurf Folgendes auszuführen:
1. Auswertung der Abrechnungsdaten durch gesetzliche Krankenkassen und Kontaktaufnahme bzgl. ihrer Versicherten (§ 25b SGB V GesE)
Die BAG SELBSTHILFE lehnt die vorgesehene Neuregelung ausdrücklich ab, da sie aus ihrer Sicht erhebliche Risiken für PatientInnen birgt - ohne dass klar ist, ob damit auch ein Nutzen für PatientInnen verbunden ist. Denn nunmehr sollen Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, ihre Routine- Abrechnungsdaten auf spezifische Risiken für ihre Versicherten auszuwerten und die Betroffenen ggf. zu kontaktieren. Den Krankenkassen sollen damit im Rahmen der Gesundheitsdatennutzung die ent-scheidende Aufgabe zukommen, die Arzneimitteltherapiesicherheit, die Erkennung von Gesundheitsgefährdungen und die Erkennung von seltenen Erkrankungen über die Auswertung der personenbezogenen Gesundheitsdaten der eigenen Versicherten zumindest mit zu gewährleisten. Um dies umsetzen, sollen die Kassen sollen insoweit ermächtigt werden, sich direkt mit ihren Auswertungsergebnissen an die Versicherten zu wenden.
Die BAG SELBSTHILFE hält dies aus mehreren Gründen für nicht zielführend:
Zum einen hat sie erhebliche Zweifel, dass die Abrechnungsdaten für die vorgesehenen Zwecke (z.B. Erkennung von seltenen Erkrankungen, Krebs) geeignet sind. Abrechnungsdaten sind für Zwecke der Abrechnung geschaffen und folgen dementsprechend einer eigenen Logik, die diesen Zweck erreichen soll. Die Covid-Pandemie hat insoweit gezeigt, dass derartige Abrechnungsdaten noch nicht einmal zur Ermittlung von besonders vulnerablen Personen geeignet waren; so erhielten völlig gesunde Personen Masken oder einen früheren Impftermin, weil offenbar bestimmte Dinge zu Abrechnungszwecken dokumentiert wurden oder möglicherweise auch Verdachtsdiagnosen zugrunde gelegt wurden. Zudem lässt sich aus umfassenden Datenanalysen allein in keiner Weise eine konkrete Gefährdung eines Individuums ableiten. Dafür sind umfassende Kenntnisse des Gesamtkontextes (Anamnese, sonstige klinische Informationen) erforderlich, über die die Krankenkassen gerade nicht verfügen. Im Übrigen ist genau das eine ärztliche Leistung bzw. eine Leistung, die ApothekerInnen erbringen. Sofern die Kassen hier Personal einsetzen wollen, so sei auf den Fachkräftemangel hingewiesen, der Doppelstrukturen verbietet.
Zum anderen steht zu befürchten, dass manche Krankenkassen die ihnen eingeräumte Möglichkeit dazu nutzen, um Kosten einzusparen; so sind einige Krankenkassen in der Vergangenheit – etwa beim Krankengeldmanagement – dadurch aufgefallen, dass sie unzulässigen Druck auf ihre Versicherten ausgeübt haben. Derartige Strategien dürften bei einer solchen Datennutzung zunehmen, auch wenn an sich nur Kontaktaufnahmen aus den im Gesetz aufgezählten Gründen vorgenommen werden dürfen, die man aber durchaus auch weit auslegen kann, insbesondere bzgl. der Generalklausel. Es drängt sich insoweit ein Zielkonflikt der Kassen auf zwischen ihrer Aufgabe einer wirtschaftlichen Verwendung der Gelder und der Aufgabe einer Versorgung ihrer Versicherten mit notwendigen Therapien, die vermutlich in einigen Fällen dann zugunsten der Wirtschaftlichkeit und zuungunsten der medizinisch notwendigen Versorgung der PatientInnen gelöst wird. Insbesondere besteht hier die Gefahr, dass – gerade in Zeiten knapper werdender Kassen – Versicherte mit sehr teuren und risikoreichen Therapien unter Druck gesetzt werden, trotzdem Versicherte auf diese Ansprüche haben. In der Vergangenheit hat es entsprechende Stra-tegien bspw. bei Mukopolysaccharidose-Erkrankten gegeben, die – bei bestimmten Unterformen - sehr teure Therapien im 6-stelligen Bereich brauchten, bei denen aber die Erstattung über den Risikostrukturausgleich nur unzureichend knapp im vierstelligen Bereich lag. Derartige Kontaktaufnahmen werden auch nicht durch die Passage in der Gesetzesbegründung ausgeschlossen, wonach die telefonische Kontaktaufnahme die Ausnahme bleiben soll, da dies im Umkehrschluss ja durchaus die Möglichkeit eröffnet, eine solche telefonische Kontaktaufnahme zu unternehmen.
Schließlich ist die Vermittlung von Gefährdungspotentialen ärztlicher/therapeutischer Maßnahmen durch Kassen erwartbar mit einem erheblichen Potential an Verunsicherung der PatientInnen verbunden. Weder kann davon ausgegangen werden, dass PatientInnen wirklich bewerten können, was ein Risiko von 2% beispielsweise für ihre eigene Erkrankung bedeutet, noch welche Konsequenzen das eigenmächtige Absetzen eines Medikaments ohne ärztliche/pharmakologische Begleitung mit sich bringen könnte. Der vorgesehene Ratschlag, sich an ÄrztInnen o-der ApothekerInnen zu wenden, ist zwar an sich sehr sinnvoll, gleichzeitig dürfte er für viele Betroffene angesichts der inzwischen langen Wartezeiten sogar auf Haus-arzttermine unrealistisch sein; Apotheken dürfte die Klärung, etwa bei einer längeren Krankheitsgeschichte, oft nicht unbedingt möglich sein. Gleichzeitig dürften derartige Warnmeldungen zu weiteren Belastungen der Haus- und Facharztpraxen führen, die das Problem der späten Termine noch verschärfen dürften.
Es sei auch noch erwähnt, dass es Kassen gibt, die über eine so kleine Versicherten-gruppe verfügen, dass statistische Auswertungen der Daten der Kasse zu nicht aussagekräftigen Ergebnissen kommen. Die verschiedenen Kassen werden also ganz verschiedene Aussagen zur Gefährdung treffen und die Versicherten dann auch mit unterschiedlichen Empfehlungen versorgen. Das darf nicht sein, denn es führt automatisch zu einer ganz erheblichen Verunsicherung der betroffenen Patienten.
Dass hierbei – über die ePA hinaus – ein weiterer Widerspruch durch die Versicher-ten notwendig ist, wenn diese den Kassen nicht die Auswertung der eigenen Daten ermöglichen wollen, ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE ferner nicht akzeptabel. Mindestens sollte für derartige mögliche Kontaktaufnahmen eine Opt-In Regelung notwendig sein, damit die Versicherten eine etwaige Kontaktaufnahme einordnen können.
Ferner dürften derartige Kontaktaufnahmen unter Umständen sogar die Akzeptanz der ePA gefährden und zu vermehrten Widersprüchen führen. Denn die wenigsten Versicherten werden zwischen Abrechnungs-/ Routinedaten und den Gesundheits-daten der ePA unterscheiden können. Eine Bewerbung der ePA mit dem Hinweis, dass die Krankenkassen keinen Einblick in die Gesundheitsdaten erhalten, wenn die eigene Krankenkasse gleichzeitig mit individuellen Warnmeldungen auf einen zu kommt, dürfte in vielen Fällen dazu führen, dass die Aussagen über die ePA als un-glaubwürdig eingestuft werden und vorsorglich Widerspruch bzgl. der Datennutzung gegen „alles“ eingelegt werden.
Hinzu kommt, dass mit der vorgesehenen Regelung auch vorhandene Strukturen ignoriert werden:
Insgesamt sollte die Digitalisierung des Gesundheitswesens die vorhandenen Struk-turen stärken und nicht zu einer Doppelstruktur führen, die eine Konkurrenz der Institutionen, statt einer Zusammenführung von Kompetenzen fördert. Denn für die Gewährleistung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sind neben den ÄrztInnen und ApothekerInnen diverse Institutionen (BfArM, PEI, RKI etc.) bereits in der Verantwortung.
Angesichts der geringen Meldungen etwa bei unerwünschten Ereignissen bei Medizinprodukten oder Arzneimitteln besteht zumindest die Vermutung, dass diese zu selten an die eigentlich zuständigen Institutionen weitergeleitet werden, denn beispielsweise die Meldung von Nebenwirkungen ist stets mit einem nicht vergüteten erheblichen Aufwand der ÄrztInnen verbunden. Die automatisierte Erfassung der potentiellen Nebenwirkungen stellt einen wichtigen Schritt in Richtung AMTS dar. Allerdings muss dieser auch in den für die Kausalkettenuntersuchung geschaffenen Institutionen und nicht in den Kassen verankert werden. Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE verfügen die Krankenkassen nicht über die medizinische Kompetenz und die entsprechenden Daten, darüber zu entscheiden, wann tatsächlich Gefährdungen für Patienten vorliegen; die Routinedaten sind aus den benannten Gründen hierfür nicht geeignet.
2. Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten (§§ 3f GDNG GesE)
Die BAG SELBSTHILFE begrüßt nachdrücklich, dass der für die Datennutzung vorgesehene Metadatenkatalog in barrierefreier Form geführt und gepflegt werden soll. Auch die nunmehr vorgesehene Beteiligung der Patientenorganisationen an dem Arbeitskreis zur Beratung der Datenzugangs- und Koordinierungsstelle wird sehr positiv gesehen.
Inhaltlich ist die BAG SELBSTHILFE der Auffassung, dass es derzeit nicht per se sinnhaft ist, die Daten der Krebsregister mit den sonstigen an das FDZ gelieferten Daten zusammenzuführen. Aktuell würde dies bei einer unkritischen Übernahme dazu führen, dass die qualitativ deutlich besseren Daten aus den Krebsregistern mit Daten vermengt werden, die eine andere Zweckrichtung haben und weder vergleichbar noch gleichwertig sind. Auch hier bedarf es umfassender Forschungsarbei-ten, unter welchen Voraussetzungen eine Zusammenführung überhaupt sinnvoll ist. Es stellt sich insoweit die Frage, ob nicht der Eingang der ePA-Daten abgewartet werden sollte, bevor hier eine Verknüpfung erfolgt.
3. Plattform für Genomdaten (§ 63e Abs. 9 SGB V)
Der Zusammenführung mit Genomdaten wird seitens der BAG SELBSTHILFE ausdrücklich widersprochen. Bezüglich dieser Daten sind die PatientInnen besonders schützenswert. Dies betrifft sogar alle „genetischen Angehörigen“. Vor dem Hintergrund, dass diese Daten mit eher geringwertigeren Abrechnungsdaten zusammengeführt werden sollen, bleibt die Frage, ob hier überhaupt ein hoher Nutzen der Datenzusammenführung erreicht werden kann. Ein solcher hoher Nutzen wäre jedoch angesichts der extrem hohen Schutzwürdigkeit dieser Daten dringend erforderlich.
Im Hinblick auf die Genomsequenzierung ist die BAG SELBSTHILFE der Auffassung, dass die Beratung der Patientinnen und Patienten durch eine neutrale Stelle in Kooperation mit den jeweiligen Selbsthilfeorganisationen erfolgen sollte. Im Beirat des Modellvorhabens Genomsequenzierung sollten die maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140 f SGB V zumindest in dem Umfang beteiligt sein, in dem die Patientenorganisationen aktuell an dem bislang laufenden Projekt beteiligt waren.
4. Regelung der Beteiligung der Patientenvertretung am Arbeitskreis des FDZ zur Sekundärnutzung des Versorgungsdaten, Erweiterung des Kreises der Nutzungsberechtigten (§§ 303d, 303e Abs. 1 GesE)
Es wird begrüßt, dass – gegenüber dem Referentenentwurf – auch die maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140g, f SGB V – neben den Organisationen der Pflegebedürftigen nach
§ 118 SGB XI - als Beteiligte des Arbeitskreises beim Forschungsdatenzentrum genannt werden, die ja auch schon als bisherige Nutzungsberechtigte an diesem Arbeitskreis beteiligt waren. Zur Klarstellung könnten hier auch die Normen des SGB V (§ 140g, f SGB V) ergänzt werden.
Gleichzeitig bleibt jedoch unklar, weswegen der Kreis der Datennutzungsberechtigten derartig schnell auf alle ausgedehnt werden soll, ohne dass die Risiken für eine Entpseudonymisierung durch Erfahrungen in der Praxis wirklich klar sind. Denn gerade bei seltenen Erkrankungen können wohl auch sorgfältig pseudonymisierte Daten unter Nutzung anderer Datenquellen entpseudonymisiert werden; davon geht ja auch der Gesetzentwurf selbst aus. Zwar werden im Gesetzentwurf eine ganze Reihe von Regelungen eingeführt, die diese Risiken minimieren sollen, etwa auch Strafvorschriften; diese Regelungen sind natürlich auch zu begrüßen. Angesichts der für Betroffene ganz erheblichen persönlichen und beruflichen Konsequenzen plä-diert die BAG SELBSTHILFE dennoch eher für eine schrittweise Erweiterung des Kreises der Nutzungsberechtigten. Denn auch die in § 303e genannte Begrenzung der Zwecke zur Verarbeitung dürften nicht in allen Fällen die möglichen Risiken für sensible Gesundheitsdaten aufheben. In jedem Fall muss der Diskriminierungsschutz ausgebaut werden. In anderen Ländern, die die Digitalisierung schon weiter vorangetrieben haben, würde der strafrechtliche Schutz der Patientinnen und Patienten bei unzulässiger Datennutzung auch massiv erhöht.
Soweit man den Kreis der Nutzungsberechtigten derart ausweitet, wie im Entwurf vorgesehen, sollten zumindest die maßgeblichen Patientenorganisationen mitentscheidend zu der Frage beteiligt werden, ob ein Antrag als gemeinwohlorientiert i.S. einer Versorgungsverbesserung eingestuft wird, oder ein entsprechendes Vetorecht erhalten.
Solange dies jedoch nicht gewährleistet ist, muss der Kreis der Berechtigten begrenzt bleiben bzw. entsprechend strenge Kriterien gelten, etwa dass die Daten den europäischen Datenraum nicht verlassen dürfen. Je stärker also die Mitentscheidungsrechte der Patientenvertretung hier ausgestaltet sind, desto größer kann aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE der Kreis der Nutzungsberechtigten sein.
Zudem müssen Versicherte, die feststellen, dass sie betreffende Abrechnungsdaten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, das Recht auf Widerspruch der Nutzung erhalten. Denn die Nutzung falscher Daten kann per se nicht zum Gemeinwohl beitragen. Im Gegenteil, das Gemeinwohl verlangt vielmehr, dass PatientInnen, die feststellen, dass fehlerhafte Daten verwendet werden, dafür Sorgen tragen können, dass diese Daten aus dem System entfernt werden.
5. Datennutzung durch LeistungserbringerInnen ohne Einwilligung durch die Betroffenen
(§§ 6, 8 GDNG)
LeistungserbringerInnen sollen gemäß § 6 GDNG-Entwurf ermächtigt werden, die selbst erhobenen Daten ohne Einwilligung der betroffenen PatientInnen zu verwenden, sofern die Nutzung der Evaluation der eigenen Leistung, der Qualitätssicherung, der Verbesserung der Patientensicherheit, medizinischen und pflegerischen Forschungszwecken bzw. statischen Zwecken dient.
Gemäß § 8 GDNG-Entwurf sollen die LeistungserbringerInnen jedoch lediglich im Rahmen von Forschungsprojekten verpflichtet werden, die Ergebnisse binnen 12 Monaten zu veröffentlichen.
Die BAG SELBSTHILFE kann nicht erkennen, warum diese Veröffentlichungspflicht lediglich im Rahmen von Forschungsvorhaben gilt. Jede Auswertung personenbezogener Daten durch LeistungserbringerInnen ohne Einwilligung der PatientInnen im Sinne von § 6 GDNG-Entwurf muss stets eine Veröffentlichung der Ergebnisse verpflichtend vorsehen. Dies schon deshalb, weil der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass es für das Gemeinwohl so bedeutend ist, diese Daten zusammenzuführen und auszuwerten, dass ausnahmsweise eine Einwilligung der PatientInnen nicht notwendig ist und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der PatientInnen zurücktritt. Dann ist es doch nur konsequent und ebenso Gemeinwohl erforderlich, die Ergebnisse auch offenzulegen.
Jenseits dessen hat die BAG SELBSTHILFE Zweifel an der Begründung, weswegen hier eine Einwilligung der Betroffenen entfallen kann; denn die Belastung mit zusätzlichem Aufwand dürfte praktisch bei jeder Einholung einer Einwilligung vorhanden sein, dies allein kann kein Grund für einen Verzicht auf das Einwilligungserfordernis sein. Denn letzteres schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das im Bereich der sensiblen Gesundheitsdaten besonders schützenswert ist. Bisher waren nur die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen nach einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde berechtigt, ohne Einwilligung der Versicherten entsprechende Auswertungen zu machen. Mindestens sollte hier eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde oder einer entsprechenden Stelle vor einer Auswertung durch LeistungserbringerInnen festgelegt werden.
6. Widerspruch gegen Datennutzung der ePA zu Forschungszwecken (§ 363 SGB V)
Die BAG SELBSTHILFE begrüßt es zwar, dass über die Möglichkeit des Widerspruchs in leicht verständlicher und barrierefreier Form zu informieren ist, hält die vorgesehene Form des Widerspruchs noch für unzureichend. Zum einen sollte ausdrücklich auch die Möglichkeit gegeben werden, einen Widerspruch auch per Brief an die Krankenkasse zu richten, da es viele Betroffene gibt, die sich nur eingeschränkt in den Funktionen der ePA zurechtfinden. Zum anderen müssten die Betroffenen aber auch über die Möglichkeit aufgeklärt werden, der Nutzung der Daten für die europäische Ebene zu widersprechen, also das EHDS, bei dem derzeit auch eine Opt-Out Lösung diskutiert wird. Es wird Versicherte geben, die gegen eine Datennutzung auf nationaler Ebene nichts einzuwenden haben, aber einer Nutzung auf europäischer Ebene kritisch gegenüberstehen, etwa weil sie hier einen größeren Einfluss von Wirtschaftsunternehmen auf die entsprechenden Prozesse befürchten.
7. Generelle Anmerkungen zur Verwendung der Daten
a. Verwendung von Gesundheitsdaten: Datenqualität/ Datenerfassung/Datenbasis
Das GDNG soll erstmals eine Grundlage für die Zusammenführung massenhaft erhobener verschiedenster Datensammlungen durch unterschiedliche Akteure bilden.
Dabei ist nicht nur zu berücksichtigen, dass es technisch möglich sein muss, bestimmte Daten zusammenzuführen (Interoperabilität), sondern es muss darüber hinaus sichergestellt werden, dass die zusammengeführten Daten reale Zustände und Beschreibungen wiedergeben, tatsächlich vergleichbar und darüber hinaus auch noch gleichwertig sind (Validität).
Das bedeutet, es darf beispielsweise keinen Unterschied machen, wer eine konkrete Diagnose in die verschiedenen Speicherorte (PVS, KIS, ePA, Register etc.) einstellt und zu welchem Zweck (Abrechnung, Forschungsprojekt, Qualitätssicherung, Strukturausgleich, Statistik etc.), wenn alle Daten gleich verwendet werden sollen.
Um gute Forschungsergebnisse aus einer umfassenden Datenforschung zu generieren ist zwingende Voraussetzung, dass die Daten, mit denen gearbeitet wird
1. eine zumindest gute Qualität im Sinne einer zutreffenden Beschreibung von Zuständen aufweisen und
2. für die Beantwortung der gestellten Abfrage zumindest geeignet sind.
Leider geht der Gesetzentwurf auf diese Herausforderung nicht ein. Es wird vielmehr unterstellt, dass die oben genannten Voraussetzungen bereits erfüllt seien. Das ist nach den umfassenden Erfahrungen der Patientenberatung und Patientenvertretung jedoch leider nicht der Fall.
b. Daten der gesetzlichen Krankenkassen
Die dem Forschungsdatenzentrum zu übermittelnden Daten der Kassen sind ganz überwiegend Abrechnungsdaten, die im Wesentlichen zur Abrechnung erstellt werden. Sie wurden also nicht zum Zwecke der Forschung, Arzneimitteltherapiesicherheit, Patientensicherheit, Qualitätssicherung usw. erhoben. Das bedeutet, sie folgen einer eigenen Abrechnungslogik, die nichts mit realen Gegebenheiten zu tun haben muss. Den Anspruch auf eine vollständige Erfassung des Gesundheitszustandes eines Patienten haben sie nicht. Sie werden auch im Nachgang nicht korrigiert, wenn sich herausstellt, dass sie auch nach der Abrechnungslogik falsch eingetragen wurden.
Die Krankenkassen haben inzwischen erste umfassende Forschungsergebnisse da-hingehend, ob vereinzelte Datenmengen qualitativ besser oder schlechter sind als andere und für die Forschung geeignet sein könnten. Dieses Wissen ist unbedingte Voraussetzung dafür, hochwertige Forschung mit den massenhaften Daten durchführen zu können.
Die Kassen sollten daher verpflichtet werden, diese Forschungserkenntnisse mit dem FDZ umfassend zu teilen und auch die NutzerInnen der FDZ-Daten darin zu schulen, mit den Daten adäquat umzugehen.
Langfristiges Ziel muss jedoch sein, die medizinische Datenforschung nicht auf Abrechnungsdaten aufzusetzen, sondern herauszufinden, anhand welcher Datensamm-lungen in Verbindung mit welchen Forschungsalgorithmen die besten Erfolge im Sinne von Patientenoutcomes (unter anderem PROMs und PREMs) erzielt werden.
Eine Vorabübermittlung der unbereinigten Daten, wie sie § 295a SGB V (Entwurf GDNG) vorsieht, wird das Problem der mangelhaften Qualität der Forschungsergebnisse verstärken. Zwar stehen dann jüngere Daten zur Verfügung, aber auf die darauf basierenden Erkenntnisse kann sich niemand verlassen. Es kommt nicht darauf an, irgendwelche Ergebnisse zu produzieren, sondern Ergebnisse, die auch verlässlich zutreffend im Sinne der Patientensicherheit sind.
c. Daten aus der elektronischen Patientenakte (ePA)
Bislang gibt es keine Untersuchungen dazu, inwiefern die von PatientInnen selbst erstellten Inhalte zu einer andere Datenqualität führen. Widersprechen sich Eintragungen häufiger? Sind sie fehleranfälliger? Werden sie besser korrigiert?
Es bedarf vor einer umfassenden Arbeit auch mit den ePA entsprechender Analysen, um das Risiko zu verringern, aus den Abfragen der Daten des FDZ Ergebnisse zu erzielen, die die Realität nicht widerspiegeln.
Düsseldorf/ Berlin 13.11.