Wir nehmen in diesem Kontext auf die Stellungnahme des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten Verbandes e.V. (DBSV) vom 07.08.2024, welche wir als Anlage beifügen, als einem unserer Mitgliedsverbände ausdrücklich Bezug und machen uns die dortigen Ausführungen in Gänze zu eigen.
Auch die BAG SELBSTHILFE als Dachverband der Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen sieht ein hohes Gefährdungspotenzial beim Gebrauch von ERollern als Elektrokleinstfahrzeuge im Straßenverkehr. Insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass seit Einführung dieser E-Roller im sog. Free Floating Modell diese überall auf Gehwegen herumstehen bzw. herumliegen, stellen diese nicht nur für sehbehinderte und blinde Menschen gefährliche Stolperfallen dar, sondern auch mobilitätseingeschränkte Personen, welche auf den Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind, können die Gehwege nicht mehr barrierefrei passieren.
Die eigenständige und selbstbestimmte Teilnahme am Straßenverkehr wird somit insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen in einem unerträglichen Maße eingeschränkt. Auch die BAG SELBSTHILFE vertritt die Ansicht, dass mit dem jetzigen Referentenentwurf das Bundesministerium für Digitales und Verkehr sich komplett seiner Verantwortung dahingehend entzieht, endlich dem veränderten Verkehrsgeschehen Rechnung zu tragen und Normen zu verankern, welche allen Teilnehmern am Straßenverkehr eine sichere sowie eigenständige Mobilität garantieren.
Wie der DBSV fordert auch die BAG SELBSTHILFE im Interesse der Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen als vulnerable Verkehrsteilnehmer eine grundlegende Änderung des vorliegenden Referentenentwurfes mit folgenden Maßgaben:
- Das Abstellchaos auf Gehwegen muss durch straßenverkehrsrechtliche Vorgaben mit verbindlichen Abstellflächen beendet werden.
- Es muss eine verschuldensunabhängige Halterhaftung bei Schadensereignissen eingeführt werden.
- Eine Angleichung der Verkehrsregeln für Elektrokleinstfahrzeuge an diejenigen für Radfahrende ist nicht sachgerecht und muss unterbleiben.
- Es sind abschreckende Bußgeldvorschriften einzuführen.
Es ist in diesem Zusammenhang sowohl auf Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG (“Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“), als auch auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), insbesondere auf Art. 4 UN-BRK, Art. 20 UN-BRK sowie auf Art. 9 UN-BRK zu verweisen. Auch Deutschland hat sich mit der Ratifizierung der UN-BRK im März 2009 verbindlich verpflichtet, die in dieser Konvention verbrieften Rechte der Menschen mit Behinderung umzusetzen. So hat sich Deutschland u.a. auch verpflichtet, durch wirksame Maßnahmen für Menschen mit Behinderung ihre persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicher zu stellen, wobei Art. 9 UN-BRK ausdrücklich den öffentlichen Straßenraum mit ein bezieht.
Die zu ergreifenden Maßnahmen umfassen dabei nicht nur straßenrechtliche Vorgaben zur Barrierefreiheit, sondern auch straßenverkehrsrechtliche Regulierungen, damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt und gefahrlos am Straßenverkehr teilnehmen können. Der eigenständigen Teilnahme am Straßenverkehr kommt somit eine besondere Rolle zu, denn sie bildet die Grundlage für selbstbestimmtes Leben im Alltag, für die Teilhabe an Freizeit, Sport, Kultur, Bildung sowie am Arbeitsleben. Vor diesem Hintergrund sind - in Übereinstimmung mit dem DBSV - bei der Ausgestaltung der StVO und der ihr folgenden Regelungen die Belange von Menschen mit Behinderung zwingend zu beachten, um das Recht auf barrierefreie Mobilität zu gewährleisten und somit auch Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen zu beseitigen.
Berlin/Düsseldorf, den 08.08.2024
Anlage: Stellungnahme DBSV vom 07.08.2024