Die neue Richtlinie betrifft Menschen mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege. Die größte Gruppe bilden Menschen, die künstlich beatmet werden. Dazu gehören neben geriatrischen und multimorbiden Patientinnen und Patienten unter anderem auch Kinder und Jugendliche, bei denen die Beatmung z.B. aufgrund eines Gendefekts oder aufgrund eines Ertrinkungsunfalls dauerhaft erforderlich ist. Betroffen von außerklinischer Intensivpflege (AKI) können aber auch Menschen sein, die aus anderen Gründen regelmäßig in lebensbedrohliche Situationen geraten, wie z.B. Menschen mit medikamentös schwer einstellbaren Epilepsien.
Die AKI-RL ist eine Umsetzung des hoch umstrittenen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (GKV-IPReG) durch den G-BA. Sie regelt unter anderem, welche Ärztinnen und Ärzte zukünftig AKI verordnen können, die Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten, die vor einer Verordnung das Potenzial für eine Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung erheben müssen sowie das Nähere zu Inhalt und Umfang der AKI. AKI-Verordnungen müssen ab dem 1. Januar 2023 nach der neuen Richtlinie erfolgen und nicht mehr als „spezielle Krankenbeobachtung“ nach der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-RL).
„Aufgrund des engagierten Einsatzes der Patientenvertretung konnten in der AKI-RL viele Regelungen im Sinne der Betroffenen und ihrer Angehörigen erreicht werden“, erklärt Thomas Koritz vom Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V. (ISL). „Zielführend war hier auch das breit angelegte Stellungnahmeverfahren, in dem zahlreiche Behindertenverbände Gehör fanden“, ergänzt Katja Kruse vom Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm). Hierzu gehören insbesondere folgende Punkte:
- Die Definition des Personenkreises, der bislang Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung nach Ziffer 24 der HKP-RL hat, wurde nahezu wortgleich in die AKI-RL übertragen. Hierdurch ist sichergestellt, dass Versicherte, die bislang Anspruch auf spezielle Krankenbeobachtung hatten, künftig außerklinische Intensivpflege erhalten.
- Bei beatmeten Versicherten wird künftig zwischen Versicherten unterschieden, die ein Potenzial für eine Entwöhnung von der Beatmung haben und Versicherten, bei denen kein Entwöhnungspotenzial besteht. Hier hat die Patientenvertretung immer wieder die nicht sachgerechten Vorgaben des Gesetzgebers kritisiert und Differenzierungen eingefordert. Mit Erfolg!
- Potenzialerhebungen können notfalls auch telemedizinisch erfolgen, um die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht mit aufwendigen Krankentransporten zu belasten.
- Auch an Orten, an denen sich Versicherte nur manchmal oder gelegentlich aufhalten, darf AKI geleistet werden. Eine Einschränkung, dass AKI nur an Orten erbracht werden darf, an denen sich Versicherte „regelmäßig wiederkehrend“ aufhalten, wurde verhindert.
- Die Qualifikationsanforderungen an die verordnenden und potenzialerhebenden Ärztinnen und Ärzte wurden auch mit Blick darauf geregelt, die Versorgung in der Fläche sicherzustellen.
- Eine konkrete Evaluationsklausel wurde mit aufgenommen, um die Wirkung der neuen Richtlinie zeitnah zu untersuchen. Unabhängig davon muss der G-BA zügig nachsteuern, wenn sich Versorgungsdefizite zeigen.
Sorge bereitet der Patientenvertretung, dass der AKI-Anspruch für Versicherte, die nicht beatmet werden, sondern aus anderen Gründen regelmäßig in lebensbedrohliche Situationen geraten, wahrscheinlich weiterhin zwischen den Krankenkassen und den Betroffenen streitbehaftet bleiben wird. „Hier konnte die Patientenvertretung aber eine für die Betroffenen wichtige Klarstellung in den Tragenden Gründen durchsetzen“ erläutert Kruse. „Danach ist es für den AKI-Anspruch nicht erforderlich, dass die lebensbedrohlichen Situationen tatsächlich täglich auftreten. Vielmehr ist es ausreichend, dass sie prospektiv betrachtet mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich auftreten können.“
Ansprechpartner*innen: Katja Kruse, Patientenvertreterin, Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm); Thomas Koritz, Patientenvertreter, Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)
E-Mail: katja.kruse@bvkm.de; thomas@koritz.de
Die Patientenvertretung im G-BA besteht aus Vertreter*innen der vier maßgeblichen Patientenorganisationen entsprechend der Patientenbeteiligungsverordnung:
- Deutscher Behindertenrat,
- Bundesarbeitsgemeinschaft PatientInnenstellen und -initiativen,
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V.
- Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Die Patientenvertretung im G-BA kann mitberaten und Anträge stellen, hat aber kein Stimmrecht.